1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Laudationes für Journalistin Ovuorie: "Eine Inspiration"

Kenneth Roth (Human Rights Watch) und Antoaneta Vassileva (Council of Europe) würdigten die Arbeit der nigerianischen Investigativjournalistin Tobore Ovuorie, DW Freedom of Speech Award Preisträgerin 2021.

DW Freedom of Speech Award Laureate 2021: Nigerian investigative journalist Tobore Ovuorie
Tobore Ovuorie wurde mit dem Freedom of Speech Award 2021 ausgezeichnet.Bild: Philipp Böll/DW

Antoaneta Vassileva, Vize-Präsidentin der Expert*innengruppe GRETA (Group of Experts on Action against Trafficking in Human Beings) des Council of Europe hielt die erste Laudatio auf Preisträgerin Tobore Ovuorie beim Global Media Forum 2021 in Bonn: 

"Menschenhandel ist nach wie vor eines der bösartigsten Verbrechen auf der ganzen Welt. Viele Frauen, Mädchen und Männer werden in verschiedene Formen der Ausbeutung gezwungen, bei denen einige von ihnen ihr Leben verlieren. Viele Menschenhändler bleiben ungestraft, weil das Verbrechen im Verborgenen stattfindet und die Opfer Angst haben, sich zu äußern. 

Eine mutige nigerianische Frau hat begonnen, diese Ungerechtigkeit zu ändern. Die investigative Journalistin Tobore Ovuorie hinterfragte nicht nur den Status quo in ihrem Land, sondern ging große Risiken ein, um über Menschenhändlerringe, Korruption und Menschenrechtsverletzungen zu berichten. 

Tobore Ovuorie ging undercover, begab sich in Mafiakreise, die junge nigerianische Frauen nach Europa verschleppten und in der Prostitution ausbeuteten. Angetrieben von dem Bedürfnis zu verstehen, was ihrer Freundin passiert ist, deckte sie auf, was wirklich mit Tausenden von Opfern geschieht, die jedes Jahr von Nigeria nach Italien verschleppt werden.

"Herausragendes Beispiel für investigativen Journalismus"

Die Arbeit von Tobore ist ein herausragendes Beispiel für investigativen Journalismus und menschlichen Mut, und sie hat verdientermaßen den DW Freedom of Speech Award für ihre Arbeit erhalten. Ich gratuliere ihr aufrichtig und bin dankbar für ihre Leidenschaft für Gerechtigkeit und ihre Lebensfreude, auch in den dunkelsten Momenten ihrer Undercover-Arbeit.  

Dank ihrer Berichterstattung wurden die Kriminellen, die die Menschenhändlerringe kontrollieren, und die korrupten Beamten, die mit ihnen zusammengearbeitet haben, entlarvt und ermittelt, und den Opfern wurde geholfen. Ihre Arbeit brachte das Thema bis ins Europäische Parlament. Sie führte auch zu einer grenzüberschreitenden journalistischen Untersuchung des Menschenhandels mit dem Ziel der Prostitution in Europa.

Als Mitglied von GRETA möchte ich daran erinnern, dass nach dem Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels die Vertragsstaaten verpflichtet sind, die Opfer des Menschenhandels zu identifizieren und Maßnahmen zu ergreifen, um sie bei ihrer physischen, psychischen und sozialen Genesung zu unterstützen, wobei ihre Sicherheits- und Schutzbedürfnisse zu berücksichtigen sind. Diese Maßnahmen gelten diskriminierungsfrei für alle Opfer - Frauen, Männer und Kinder, unabhängig davon, ob sie Opfer von grenzüberschreitendem oder nationalem Menschenhandel waren, unabhängig von der Form der Ausbeutung und dem Land, in dem sie ausgebeutet wurden. Alle Maßnahmen der Unterstützung und des Schutzes gemäß der Konvention, einschließlich des Rechts auf eine Erholungs- und Bedenkzeit, die Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis, eine Risiko- und Sicherheitsbewertung vor jeder Rückkehr und eine Entschädigung für die erlittenen Schäden sollten auf alle Opfer von Menschenhandel angewandt werden.

Schutz für Opfer von Menschenhandel "moralische Verpflichtung"

Im Namen von GRETA muss ich die Staatsoberhäupter der Vertragsstaaten an die rechtliche und moralische Verpflichtung erinnern, keine Abstriche bei den Rechten und dem Schutz der Schwächsten zu machen, zu denen auch die Opfer des Menschenhandels gehören. Wir müssen dafür sorgen, dass die Tausenden Opfer - Männer, Frauen und Kinder – die nicht immer sichtbar sind, nicht vergessen werden dürfen.

Die Konvention verweist auch auf die wichtige Rolle der Medien bei der Berichterstattung über Menschenhandel, der Sensibilisierung für das Problem und der Minderung der Nachfrage.

GRETA ist denjenigen Journalistinnen und Journalisten dankbar, die Menschenrechtsverletzungen aufdecken. Ihre Arbeit ist lebenswichtig für unsere Gesellschaft, denn sie bringt Licht ins Dunkel und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Opfer des Menschenhandels, die nur selten die Möglichkeit haben, sich zu äußern.  

Noch einmal möchte ich Tobore Ovuorie für ihre Hartnäckigkeit und Tapferkeit danken, mit der sie diese Geschichte ans Licht gebracht hat. 

Tobore, herzlichen Glückwunsch zu dem Preis!"

Südkorea 2018 | Kenneth Roth, Geschäftsführer von Human Rights Watch
Kenneth Roth, Geschäftsführer von Human Rights Watch, nannte Preisträgerin Ovuorie "eine Inspiration für jeden, der die Wahrheit herausfinden will." Bild: picture-alliance/AP Photo/Le. Jin-Man

Kenneth Roth, HRW: Tobore Ovuorie "ist eine Inspiration"

Kenneth Roth, Executive Director von Human Rights Watch, hielt eine weitere Laudatio für Preisträgerin Tobore Ovuorie. Er sagte:

"Die Deutsche Welle hat mit der Wahl von Tobore Ovuorie für den diesjährigen Freedom of Speech Award eine hervorragende Wahl getroffen. Wir hören von Journalisten, die über ihre Pflicht hinausgehen, um eine Geschichte zu recherchieren. Tobore Ovuorie hat einen Schritt getan, der einfach unvorstellbar war.

Sie wurde auf die Schrecken des Sexhandels aufmerksam, indem sie mit einigen der Opfer sprach. Aber um ihre Notlage besser zu verstehen, schloss sie sich ihnen an. Sie versetzte sich in eine Lage, in der Schläge und Vergewaltigungen vorhersehbar waren. Sie ahnte nicht, dass sie um ein Haar hätte ermordet werden können.

Ich kann mir keine mutigere Journalistin vorstellen. Ihre Leidenschaft, die Wahrheit ans Licht zu bringen – die Not der Opfer und die Grausamkeit ihrer Verfolger aufzudecken – brachte sie dazu, einen Sprung zu wagen, den nur sehr wenige Journalisten jemals den Mut und das Pflichtgefühl aufbringen konnten zu wiederholen. Sie ist eine Inspiration für jeden, der die Wahrheit herausfinden will.

Diese Leidenschaft für die Wahrheit ist unerlässlich, um Verbrecher und missbräuchliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Gräueltaten geschehen hinter verschlossenen Türen. Es braucht jemanden mit dem Engagement und der Hingabe von Tobore Ovuorie, um diese Türen aufzubrechen.

Die Menschenrechtsbewegung teilt diese Hingabe für die Macht der Wahrheit. Auf diese Weise machen wir Regierungen für ihre Missetaten verantwortlich, so wie Tobore Ovuories außergewöhnlicher investigativer Journalismus zur Zerschlagung eines großen und gefährlichen Menschenhändlerrings durch die Polizei geführt hat. 

Weil Kriminalität so profitabel sein kann, sind die daran Beteiligten oft bereit, brutale Mittel einzusetzen, um ihre Gräueltaten zu verbergen. Wir alle schulden Tobore Ovuorie tiefe Dankbarkeit und Respekt dafür, dass sie diesen Kriminellen gezeigt hat, dass ihre Straflosigkeit im Scheinwerferlicht einer mutigen Berichterstattung angreifbar ist. 

Ich hoffe und erwarte, dass ihr beispielhafter Fall von Journalismus in seiner besten Form andere motivieren wird, sich ihrem Bestreben anzuschließen, zu recherchieren, aufzudecken und zu helfen, solche Grausamkeiten zu beenden. Danke, Tobore Ovuorie, dass Sie uns alle inspirieren."