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Russische Dissidenten nach Freilassung zum Pressegespräch

Die ehemaligen politischen Gefangenen Wladimir Kara-Mursa, Ilja Jaschin und Andrei Piwowarow sprachen weniger als 24 Stunden nach ihrer Freilassung auf einer Pressekonferenz der DW in Bonn.

DW Funkhaus Bonn | Stiftung gegen Korruption | Pressegespräch mit ehemaligen russischen Gefangenen
In Freiheit: Wladimir Kara-Mursa, Andrej Piwowarow und Ilja Jaschin im Funkhaus Bonn (von links)Bild: Florian Görner/DW

Organisiert wurde das Gespräch von der Antikorruptionsstiftung des verstorbenen Alexej Nawalny. 

Wladimir Kara-Mursa: "Ich habe kein Begnadigungsgesuch unterschrieben, aber ich wurde trotzdem begnadigt. Wir haben nie unsere Zustimmung gegeben, [aus Russland ausgewiesen zu werden], und doch sind wir hier. ... Jeder von uns wurde von seinem persönlichen FSB-Offizier im Flugzeug begleitet. Mein FSB-Offizier sagte in dem Moment, als unser Flugzeug abhob: 'Schau aus dem Fenster, es ist das letzte Mal, dass du dein Heimatland siehst.' Ich sagte: 'Schauen Sie, ich bin von Beruf Historiker. ... Ich fühle und weiß, dass ich in mein Heimatland zurückkehren werde, und es wird viel schneller gehen, als Sie glauben.'"

DW Funkhaus Bonn | Stiftung gegen Korruption | Pressegespräch mit ehemaligen russischen Gefangenen
Vladimir Kara-Murza, Kreml-Kritiker, Politiker und Journalist Bild: Florian Görner/DW

"Ich war mir sicher, dass ich in Putins Gefängnis sterben würde. ... Keiner von uns wusste bis zum letzten Moment, [dass wir befreit werden]. Was ich weiß, ist, dass dies niemals geschehen wäre ohne das leidenschaftliche und nachhaltige Engagement, sowohl öffentliche als auch privat, von Regierungen, Organisationen und Einzelpersonen, die es möglich gemacht haben."

Kara-Murza: “Was Russland tut, ist moralische und psychologische Folter. Eine Tradition seit Stalins Zeiten, des KGB-Kommandeurs, der auch Familien als Feinde des Volkes bezeichnete. Das passiert auch heute noch. ... Seit mehr als zwei Jahren konnte ich nur ein einziges Telefonat mit meiner Frau und meinem Anwalt führen.”

Ilja Jaschin drückte sein Bedauern darüber aus, dass ein Mörder [Wadim Krasikow] jetzt im Austausch für ihn frei herumläuft und, dass er nicht in den Gefangenenaustausch einbezogen werden wollte: "Ich sagte: Ich werde nicht darum bitten, freigelassen zu werden, ich werde keine Schuld eingestehen, ich werde niemanden um einen Gefallen bitten, den ich für einen Tyrannen, einen Mörder, einen Feind seines eigenen Landes halte." Er fügte hinzu: "Mein Platz ist in Russland."

Jaschin: "Ich saß im Gefängnis, um für mein Recht zu kämpfen, meine Meinung zu sagen. Mein Recht, in meinem eigenen Land zu leben und zu arbeiten. ... Hiermit erkläre ich: Ich gebe nicht meine Zustimmung, ich bestehe auf mein verfassungsmäßiges Recht, in dem Land zu leben, in dem ich geboren wurde. Dies ist mein Dokument, das besagt, dass sie mich gezwungen haben, das Land gegen meinen Willen zu verlassen. Es ist meine Ausbürgerung gegen meinen Willen. Ich möchte zurückkehren.... Ich kann diese Gefühle, diese Manipulation, diese Intrigen des Kremls nicht tolerieren. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie die ganze Welt verhöhnen."

Medien und Reporter aus ganz Europa und der Welt berichteten live aus dem Bonner Gremiensaal vom Pressegespräch mit den drei russischen Dissidenten, darunter Reuters, BBC, die Tagesschau.

Auf dem Weg zu einem freien und demokratischen Russland

Alle drei drückten ihr Bedauern darüber aus, dass in Russland noch viele politische Gefangene hinter Gittern sitzen. Jaschin: "Über 1.000 Menschen sind laut Memorial immer noch aus politischen Gründen im Gefängnis. ... Sie hätten andere auswählen sollen, die heute oder morgen im Gefängnis sterben könnten."

Andrei Piwowarow rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, "mit den Menschen in Russland zu sprechen". Er sagte, einfache Dinge wie Bildung und Visa für junge Russen könnten helfen, "damit Russen außerhalb des Landes keine Feinde sind." Er sagte: "Wir alle, die wir jetzt befreit sind, und diejenigen, die vor uns befreit wurden – wir müssen diejenigen unterstützen, die unsere Hilfe brauchen."

"Wir sollten nicht warten", sagte er. "Ich denke, das ist es, was wir heute tun werden. Wir werden auf ein Russland hinarbeiten, das frei und demokratisch ist."

Wladimir Kara-Mursa, Ilja Jaschin und Andrei Piwowarow sind drei der 16 politischen Gefangenen, die am 1. August im Rahmen des historischen Gefangenenaustauschs zwischen Russland und mehreren westlichen Ländern, insbesondere den USA, aus russischer Haft entlassen wurden. Die von Alexej Nawalny gegründete Antikorruptionsstiftung hatte die Presse zu der Veranstaltung bei der DW eingeladen.

DW Funkhaus Bonn | Stiftung gegen Korruption | Pressegespräch mit ehemaligen russischen Gefangenen
Journalisten während der Pressekonferenz in Bonn Bild: Florian Görner/DW

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Im Juni zeichnete die DW Julia Nawalnaja und die Antikorruptionsstiftung mit dem Freedom of Speech Award aus und würdigte damit ihren unermüdlichen Einsatz gegen Korruption in Russland.

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Video der Pressekonferenz auf YouTube (auf Englisch)

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