Volksaufstand 17. Juni 1953 - Gespräch mit den Zeitzeugen Werner Herbig und Dr. Rainer Eppelmann zur Revolution von vor 50 Jahren
„Wir sind Arbeiter und keine Tiere“ – sollen die Demonstranten in Ost-Berlin am 16. Juni 1953 vor dem Regierungssitz in der Leipziger Straße skandiert haben. Dies berichtet „Die Zeit“ vom 25. Juni 1953 in ihrer Beschreibung damaliger Ereignisse. Es ging um die Erhöhung der Arbeitsnormen um 10 % und um beschlossene Lohnkürzungen. Im gleichen Artikel zitiert „Die Zeit“ auch einen Gewerkschaftssekretär mit folgenden Worten: „Diese Kürzung ist nur gerecht, da die Arbeiter bisher mehr von der Gesellschaft erhalten haben, als ihnen zustand." Auch „Der Spiegel“ vom 24.6.53 berichtet von den Vorgängen in Ost-Berlin und gibt einen Einblick in die Geschehnisse am 16.6.53
Inszenierte Proteste?
So war es - dem Bericht nach – zunächst mal seitens der DDR-Regierung etwa geplant, dass 70 Bauarbeiter an Walter Ulbricht eine Resolution überreichen sollten, in der die - bereits bewilligte - Aufhebung der Normerhöhung gefordert werden sollte. Eine Erklärung mit dem Eingeständnis des Fehlers war auch schon vorbereitet und sollte letztendlich als Propagandamittel für die Volksnähe der SED benutzt werden – so „Der Spiegel“ weiter. Doch dem inszenierten Zug der unzufriedenen Arbeiter schlossen sich rasch weitere Demonstranten an, bald waren es zunächst Hunderte, dann Tausende. Aus einem Protestmarsch entwickelte sich eine Massenerhebung mit Streiks und Demonstrationen, die auch auf andere Städte der DDR übergriff. Die Demonstranten forderten den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen und ein Ende der deutschen Teilung. Über eine Million Menschen waren beteiligt; Partei- und Regierungsgebäude, Gerichte und Gefängnisse wurden gestürmt.
Die Sowjets „helfen“
Die sowjetische Besatzungsmacht schlug am 17. Juni den Volksaufstand mit Panzern und Soldaten nieder und verhängte den Ausnahmezustand. „Der Spiegel“ vom 24. Juni 1953 vermutete: „Der Verdacht, daß manche Explosionen der Juni-Unruhen besonders in der Sowjetzone der Ulbricht-Clique als ‚Beweismittel’ nicht nur erwünscht waren, sondern möglicherweise von ihr sogar angestiftet worden sind, wird in diesem Zusammenhang geäußert.“ Ein Beweismittel für die Notwenigkeit einer Politik der „starken Hand“, die die Position der SED-Leute nur noch weiter festigen konnte. Es hat sich bei diesen Unruhen jedoch noch etwas gezeigt: durch das Fehlen eines bewaffneten Widerstands blieb ein größeres Blutvergießen aus. Eine von mehreren Parallelen zur friedlichen Revolution der DDR von 1989, wie dieses Zeitzeugengespräch mit Werner Herbig, Mitglied der damaligen Görlitzer Streikleitung, und Dr. Rainer Eppelmann aus dem Jahr 2003 verdeutlicht.
Michelle Kottemann / Andreas Zemke
Redaktion: Diana Redlich