Abriss der Berliner Mauer
13. Juni 2010Als der Bagger in der Bernauer Straße in Berlin die ersten Teile der Mauer einriss, flossen Sekt und Tränen der Rührung. Hunderte Berliner feierten auf dem früheren Todesstreifen ein spontanes Volksfest. Vor 20 Jahren begann dort am 13. Juni 1990 offiziell der Abriss der ohnehin schon löchrigen Berliner Mauer. "Das ist das Schönste, was wir in unserem Leben gemacht haben", sagte der damalige West-Berliner Bausenator Wolfgang Nagel gerührt. Die Aktion war zugleich der Auftakt für den Abbau aller innerdeutschen Grenzanlagen.
Der Abrissbeginn in der Bernauer Straße war nicht von ungefähr gewählt. Die Bernauer Straße galt mehr als 28 Jahre als Symbol der deutschen Teilung - die bewohnten Häuser gehörten zum Osten, der Bürgersteig zum Westen. Hier versuchten Menschen in den ersten Tagen nach dem Mauerbau vom 13. August 1961 noch, aus ihren Fenstern in den Westen zu springen. Das Bild von Conrad Schumann, einem DDR-Soldaten, der in der Bernauer Straße über Stacheldraht sprang und in den Westen flüchtete, ging um die Welt. Nach einer wissenschaftlichen Studie starben durch das mörderische DDR-Grenzregime mindestens 136 Menschen an der Berliner Mauer.
Mahnmal für künftige Generationen
Heute erinnern nur noch wenige Orte in Berlin an die einstige Mauer. An der Bernauer Straße wurde eine große Gedenkstätte mit einem erhaltenen Stück der Berliner Mauer errichtet. In Berlin-Friedrichshain steht die East Side Gallery, an der Künstler aus aller Welt ihre Kunstwerke an Mauerreste malten.
Damals, wenige Monate nach dem Mauerfall vom 9. November 1989, war ganz Berlin noch im Freudentaumel. Die verhasste Mauer sollte so schnell und komplett wie möglich weg, fanden gerade viele Ostdeutsche. Auch die sogenannten Mauerspechte waren massenhaft unterwegs, um sich ein Stückchen aus der Mauer zu schlagen und für die Ewigkeit zu sichern. Die Stimmen, die einen Teil der Beton-Sperre zur Mahnung und zum Gedenken erhalten wollten, gingen fast unter. Sie befürchteten, dass mit dem hektischen Mauerabriss nichts stehen bleibe, was später als Denkmal gebraucht werde. Ein Konzept dafür gab es nicht.
Touristen enttäuscht
Heute ist es tatsächlich so, dass gerade Touristen und Schüler nach dem "antifaschistischen Schutzwall" suchen, wie die Mauer im Jargon der SED-Führung in der DDR tituliert wurde. Viele wollen lieber Geschichte zum Anfassen, sie sind enttäuscht von dem in den Straßen aus Pflastersteinen eingelassenen Streifen, der den Verlauf der Mauer nachzeichnet. Nur wenige originale Teile wie Wachtürme der DDR-Grenzposten oder Mauerstreifen blieben stehen.
Der Abriss der rund 155 Kilometer langen Grenze, die West-Berlin umschloss, war auch ein Geschäft. Der Historiker Ronny Heidenreich geht davon aus, dass beim Mauer-Verkauf Gelder in Millionenhöhe verschwanden. Die DDR-Führung selbst habe den Handel schon kurz nach dem Mauerfall eingefädelt. Im Sommer 1990 sei auch die Nationale Volksarmee beim Abbau der Sperranlagen in das Mauer-Geschäft eingestiegen.
Die DDR-Außenhandelsfirma Limex, die den Verkauf per Staatsauftrag übernahm, habe einen schwunghaften Handel organisiert, so der Historiker. So habe allein eine Auktion in Monaco im Sommer 1990, bei der bemalte Mauersegmente unter den Hammer kamen, fast zwei Millionen DM erbracht. Doch nur ein kleiner Teil kam wohltätigen Zwecken zugute.
Heute finden sich Mauerteile in aller Welt. Besonders in den USA sei das Interesse an "the Wall" ungebrochen. Historiker Heidenreich hat weltweit 125 Orte mit Mauer-Teilen ausfindig gemacht. Tonnenweise wurden aber auch Betonelemente geschreddert und in Straßen verbaut.
Die Abrisskosten waren ebenfalls riesig. Rund 170 Millionen DM wurden damals veranschlagt. Auch hier gab es Symbolik: Für die Wiederherstellung der insgesamt mehr als 130 abgeschnittenen Straßen in Berlin sowie ins brandenburgische Umland wurden Firmen aus Ost und West beauftragt.
Autor: Arne Lichtenberg
Redaktion: Kay-Alexander Scholz