Alte Prachtbauten
16. November 2009Leere Fahnenstangen sind so etwas wie Wegweiser durch das einstige Diplomatenviertel, untrügliche Zeichen, dass sich dort, wo sie in den Himmel ragen, einmal eine Botschaft befand. Manchmal stehen sie vor Häusern mit abblätternder Farbe oder in Gärten, in denen das Unkraut wuchert. Manchmal aber auch vor proper restaurierten Gründerzeitvillen, in die nun Anwaltskanzleien, Arztpraxen oder einfach Familien eingezogen sind.
Teurer Tross
Als der Regierungstross sich 1999 in Richtung Berlin bewegte, kamen nicht alle diplomatischen Vertretungen gleich mit. Für einige afrikanische Staaten beispielsweise war dies schlicht zu teuer. Man blieb daher zunächst am Rhein. So ist die Botschaft von Sierra Leone erst vor wenigen Wochen aufgegeben worden. Sie war die definitiv letzte in Bonn, wie der Journalist und Stadtführer Michael Wenzel erzählt. Er kennt die Geschichte nahezu jedes Gebäudes hier im Bonner Süden. Er weiß, wo Saudi-Arabien seine Kulturabteilung hatte, wo sich die Sozialabteilung der spanischen Botschaft befand, wo die Vertretungen Italiens oder Israels.
Schwierige Immobilien
Und er kennt vor allem die Geschichten der Häuser, von denen einige noch immer keinen neuen Nutzer gefunden haben. "Ehemalige Botschaften sind schwierige Immobilien", sagt Michael Wenzel. "Wir haben heute hier in Bonn immer noch 24, die leer stehen." Vor wenigen Monaten erst konnte das Backsteingebäude verkauft werden, das ehedem die thailändische Botschaft beherbergte. Jahrelang war mit Thailands König Bhumipol oder seinen Beauftragten verhandelt worden, während das Gebäude langsam verfiel. Südafrika konnte bislang weder Botschaft noch Residenz veräußern – eine "Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen", meint der Stadtführer. Die frühere portugiesische Botschaft, ein Schmuckstück in Rheinnähe, wird dagegen längst privat genutzt. Dort, wo einst Südkoreas Botschafter residierte, wohnen nun Senioren in noblem Ambiente. Und aus der sowjetischen, dann russischen Vertretung wurde ein prächtiges Generalkonsulat - das weltweit größte, wie es heißt.
Verfallene Pracht
Andere Immobilien scheinen aus politischen Gründen zum ewigen Leerstand verurteilt. Seit dem Zerfall Jugoslawiens weiß beispielsweise niemand, was mit dem Botschaftsgebäude passieren soll. "Das Auswärtige Amt muss mit den Nachfolgestaaten eine Lösung finden", erläutert Wenzel. Freilich, dieses Problem steht aus nachvollziehbaren Gründen nicht unbedingt oben auf der Prioritätenliste. Die bundesweit bekannteste Ruine ist indes die Botschaft des Iran. Die blauen Ornamente an der Fassade sind verblichen, innen haust nur noch der Schimmelpilz. Ein gefährliches Pflaster, meint Michael Wenzel, und wird dabei ein wenig ironisch: "Man darf aus Sicherheitsgründen nicht mehr rein, weil das Gebäude etwa so marode ist wie die diplomatischen Beziehungen zwischen Europa und dem Iran. Deshalb mein Tipp: Irgendwann wird das zusammenkrachen, und das Problem ist gelöst." Anders als bei den Franzosen, deren Immobilie langsam vom Unkraut überwuchert wird. Hier hat man inzwischen einen Investor gefunden.
Touristische Highlights
Wenzel organisiert zusammen mit dem privaten Verein "Stadtmarketing Bad Godesberg" so genannte Botschafts-Touren. Über einen Mangel an Interesse kann er sich nicht beklagen, im Gegenteil: Spaziergänge und Busfahrten sind Monate im Voraus ausgebucht. Besucher kommen aus ganz Deutschland, aber auch aus den europäischen Nachbarländern. Ein touristisches Highlight ist die ehemalige syrische Botschaft, die zuweilen ihre Pforten für Besucher öffnet. Sie glänzt im Innern immer noch mit einer geradezu phantastisch anmutenden orientalischen Pracht.
Die Besucher staunen und sind begeistert. "Wer hätte gedacht, dass es in Bonn noch so interessant ist!" sagen sie. Die Hauptstadtzeiten sind zwar lange vorbei, aber die Geschichte ist es eben nicht.
Autorin: Cornelia Rabitz
Redaktion: Aya Bach