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Altman, der Anti-Hollywoodianer

Jochen Kürten23. Februar 2015

Er revolutionierte Hollywood: Robert Altman war einer der wichtigsten Wegbereiter des "New Hollywood"-Kinos. Ein Dokumentarfilm erinnert nun an den eigensinnigen Regisseur.

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Filmszene aus der Doku Altman (Foto: NFP marketing & distribution")
Bild: NFP marketing & distribution

Die 87. Ausgabe der Oscars hat wieder einmal darauf hingewiesen: Es gibt in den USA ein Kino jenseits von Hollywood. Ein Kino, dass nicht nur auf Kommerz und pure Unterhaltung setzt, das experimentierfreudig und künstlerisch vielfältig ist. Die jetzt ausgezeichneten Filme "Birdman", "Boyhood" oder "Grand Budapest Hotel" gehören alle in diese Kategorie. Robert Altman kann man getrost als einen der einflussreichsten geistigen Väter dieses formal anspruchsvollen und gesellschaftlich engagierten US-Kinos bezeichnen.

Er selbst hat 2006 einen Ehrenoscar für sein Lebenswerk erhalten, zuvor waren er und seine Filme insgesamt sieben Mal nominiert worden. Dass er bei den Preis-Zeremonien dann stets leer ausgegangen ist, war wohl kein Zufall. Die Oscars standen jahrelang im Zeichen eines kommerziell orientierten amerikanischen Kinos. Altman war jedoch immer ein Außenseiter in den USA, streitbar und widerspenstig, innovativ und experimentierfreudig.

Kino-Revoluzzer Altman

Am 20. Februar 2015 wäre der vor neun Jahren verstorbene Altman 90 Jahre alt geworden. An sein Werk und sein Schaffen erinnert jetzt die Dokumentation mit dem schlichten Titel "Altman", die gerade in den deutschen Kinos angelaufen ist. Sie gewährt einen Blick auf sein umfangreiches Werk, erzählt von einem, der sich nicht den Strukturen Hollywoods und dem Geschäftsgebaren der großen Studios unterordnen wollte.

Filmszene aus der Doku Altman (Foto: NFP marketing & distribution")
Robert Altman verlieh dem US-Kino FlügelBild: Michael Grecco

Weil er konsequent einen anderen Weg einschlug, wurde er zu einem Neuerer des US-Kinos. Der Dokumentarfilm des Kanadiers Ron Mann erzählt chronologisch vom Werdegang eines Filmschaffenden, dessen Karriere zunächst ganz anders begonnen hatte. Altman arbeitete in den 1950er Jahren für das amerikanische Fernsehen, inszenierte Episoden für Fernsehserien wie "Bonanza" und "Alfred Hitchcock Presents", schnell heruntergedrehte, handwerklich solide Produktionen.

Experimentierfreudige Regie

Es war absolut nicht zu erwarten, dass sich dieser Regisseur einmal quer zum Establishment in Hollywood stellen sollte. Doch Altman war experimentierfreudig. Ende der 60er Jahre setzte er zum Beispiel in seinen ersten fürs Kino gedrehten Filmen auf eine realistische Dialogführung. Gespräche der Protagonisten überlappten sich - wie im richtigen Leben, aber eben nicht, wie es Hollywood wollte. Das erzürnte die Bosse der großen Studios. Doch Altman blieb damals stur. Und er setzte noch eins drauf.

Filmszene aus der Doku Altman (Foto: NFP marketing & distribution"Sandcastle 5".)
Altman an der KameraBild: Sandcastle 5

1970 gelang ihm mit der Militär-Satire "M*A*S*H" der Durchbruch. Altmans Kommentar zum US-Engagement in Vietnam fiel bitterböse aus. Kritisch und voller ätzender Anspielungen brüskierte der Regisseur die konservative amerikanische Öffentlichkeit. Doch der Film entwickelte sich an den Kinokassen zu einem Erfolg. Das bestärkte den Regisseur in seinem Ansinnen, den Film und das Kino nicht nur für Unterhaltung und Ablenkung zu nutzen, sondern auch für Kritik an Gesellschaft und Politik. Der Begriff "altmanesk" entstand in jenen Jahren - was der Dokumentarfilm jetzt mit vielen Wegbegleitern Altmans zeigt.

Große Filme in verschiedenen Genres

Was folgte, war ein Meisterwerk nach dem anderen. Die 1970er Jahre wurden zum "Altman-Jahrzehnt". Der Spätwestern "McCabe & Mrs. Miller", "California Split" und vor allem "Nashville" wurden zu Wegmarken des modernen amerikanischen Kinos: formal aufregend in ihrer Machart, inhaltlich voll beißender Kritik an bestehenden Zuständen. Und weil Altman in dieser Zeit auch kommerzielle Erfolge feiern konnte, machte er anderen Regisseuren Mut. Es entwickelte sich eine Renaissance des US-Kinos, Filmemacher wie Francis Ford Coppola, Martin Scorsese oder Peter Bogdanovich und eben auch Altman standen für eine neue Art des amerikanischen Kinos: "New Hollywood" war geboren.

Zumindest eine Zeitlang sorgten diese Regisseure dafür, dass die Filmwelt wieder nach Amerika schaute. Ein paar Jahre später war diese fruchtbare Zeit wieder vorbei, Regisseure wie George Lucas ("Star Wars") und Steven Spielberg ("Der weiße Hai") steuerten Hollywood in Richtung Kommerz-Kino.

Filmszene aus der Doku Altman (Foto: NFP marketing & distribution")
Magier des "New Hollywood-Kinos"Bild: Sandcastle 5

Für Robert Altman, der nicht klein beigeben wollte und auf die Verlockungen des großen Geldes weitgehend verzichtete, brachen harte Zeiten an. Er hatte Schwierigkeiten seine Produktionen zu finanzieren - und bei einigen Filmen verließ ihn auch die künstlerische Inspiration. Erst Anfang der 1990er Jahre gelang ihm ein triumphales Comeback, vor allem mit den beiden Filmen "The Player" und "Short Cuts". Letzterer, ein breites Gesellschaftspanorama verschiedener US-Milieus, wurde zu einem wegweisenden Film.

Kurze, prägnante Blicke auf die Gesellschaft

Altman hatte sich in "Short Cuts" auf Kurzgeschichten des US-Autors Raymond Carver gestützt und diese kongenial ins andere Medium übersetzt. In der Folgezeit kopierten zahlreiche Regisseure in aller Welt diese Art des Filmemachens: "Short Cuts" wurde zu einem Begriff in der Filmwelt. Danach dreht Altman unermüdlich weiter, auch mit großen Stars und größerem Budget, es entstanden Filme wie "Prêt-à-Porter", "Gingerbread Man" oder "Gosford Park".

Filmszene aus der Doku Altman (Foto: NFP marketing & distribution")
Arbeitete auch mit Stars wie Sophia Loren - in "Prêt-à-Porter"Bild: picture-alliance/dpa/J. Schmitt

Nicht alle wurden zu Meisterwerken. Doch Altman, der sich zwischenzeitlich einer Herz-Transplantation unterziehen musste, blieb sich treu. Und die Filmwelt bewunderte ihn dafür. 2006 konnte er noch einen Ehrenoscar für sein Lebenswerk entgegennehmen. Kurz darauf starb er. Ron Manns Dokumentation erinnert jetzt in würdiger Weise an den großen amerikanischen Regisseur, der so viel Einfluss hatte auf Filmemacher nachfolgender Generationen. Diesen Altman-Geist konnte man auch bei der jüngsten Ausgabe der Oscars wieder spüren.