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Ampel-Koalition erzielt "Durchbrüche"

29. März 2023

Nach dreitägigen Verhandlungen voller kontroverser Diskussionen haben sich SPD, Grüne und FDP in vielen Punkten geeinigt. Klimaschutz, Schienennetz und Autobahnen waren nur einige davon.

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Die Vorsitzenden der Regierungsparteien von links: Christian Lindner (FDP), Ricarda Lang (Grüne) und Lars Klingbeil (SPD) sprechen im Berliner Reichstagsgebäude zu den Journalisten
Die Vorsitzenden der Regierungsparteien von links: Christian Lindner (FDP), Ricarda Lang (Grüne) und Lars Klingbeil (SPD)Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

"Wir haben echte Durchbrüche erzielt, wirkliche Paradigmenwechsel und deshalb spricht das Ergebnis einfach für sich", sagte FDP-Chef Christian Lindner nach dem Verhandlungsmarathon des Koalitionsausschusses in Berlin.

"Der mühselige Arbeits- und Verhandlungsprozess, den sich die Koalitionsparteien und meine Regierung jetzt vorgenommen haben, ist ja stellvertretend für die ganze Gesellschaft auf ihrem Weg in eine wirtschaftlich erfolgreiche Moderne", betonte Bundeskanzler Olaf Scholz. Damit wollte der sozialdemokratische Regierungschef sagen, dass die von der Koalition zuletzt präsentierte Zerstrittenheit die Stimmung in der Gesellschaft widerspiegele, wenn es um den Klimaschutz und seine Kosten gehe. Das mühsam ausgehandelte 16-seitige Kompromisspapier nannte Scholz ein "großes Werkstück".

"Vieles wird schneller laufen"

Auch die Parteichefs von SPD, Grünen und FDP zeigten sich hoch zufrieden. Die Beschlüsse garantierten, "dass viele Dinge im Land schneller laufen werden", versprach SPD-Chef Lars Klingbeil. Deutschland solle modernisiert werden, Infrastrukturprojekte sollten schneller vorankommen, die erneuerbaren Energien zügiger ausgebaut werden.

Zugbildungsanlage im Stadtteil Vorhalle
Rangierbahnhof in Hagen, Nordrhein-WestfalenBild: Stefan Ziese/blickwinkel/picture alliance

Damit löse sich die Koalition von ihrer Agenda des vergangenen Jahres, mit den Folgen des russischen Kriegs in der Ukraine klarzukommen, und wende den Blick nach vorn.

Grünen-Chefin Ricarda Lang versprach, die Ampel gehe jetzt Strukturreformen an, "um dieses Land voranzubringen". Im einzelnen geht es unter anderem um folgende Beschlüsse:

Stärkung des Bahnverkehrs

Die Ampel will "erhebliche Mittel" in die Modernisierung und Erweiterung des Schienennetzes stecken. Bei der Deutschen Bahn gebe es einen Investitionsbedarf bis 2027 von rund 45 Milliarden Euro. Dieser soll unter anderem durch Einnahmen aus der Lkw-Maut auf Autobahnen und Bundesstraßen gedeckt werden. Bei der Nutzungsgebühr soll nun zum 1. Januar 2024 ein CO2-Aufschlag von 200 Euro je Tonne eingeführt werden.

Autobahn A3 Geschwindigkeitsbegrenzung 120 Stundenkilometer
Autobahn A3 bei Frankfurt/MainBild: picture-alliance/dpa/S. Stein

Emissionsfreie Lkw sollen bis Ende 2025 von der Maut befreit und anschließend nur 25 Prozent des regulären Satzes zahlen müssen. Zudem sollen ab 2024 auch schon kleinere Lkw ab 3,5 Tonnen in die Mautpflicht einbezogen werden. "Handwerksbetriebe werden ausgenommen", heißt es im Beschlusspapier. Für Bahn-Vielfahrer soll das 49-Euro-Ticket ohne Aufpreis in die Bahncard 100 integriert werden, so dass diese in allen Städten auch für den Nahverkehr genutzt werden kann.

Schnellerer Ausbau auch von Autobahnen

In diesem Punkt lagen FDP und Grüne besonders überkreuz. Die FDP wollte auch Autobahnen schneller ausbauen, um Staus bei mehr Güterverkehr zu verhindern. Die Grünen stemmten sich lange dagegen. Nun soll eine eng begrenzte Zahl von besonders wichtigen Autobahn-Projekten eine Sonderstellung bekommen. Das soll diese Projekte beschleunigen, unter anderem durch weniger aufwendige Umweltschutzprüfungen.

Fördergelder für Heizungsaustausch

Die Ampel-Koalition will den Einbau klimafreundlicherer Heizungen angehen - dabei soll es einen sozialen Ausgleich geben. "Man kann sagen: Niemand wird im Stich gelassen", betonte Lang. Details nannten die Koalitionäre zunächst nicht. Das Geld soll laut Lindner aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen, einem Geldtopf außerhalb des regulären Bundeshaushalts. Heizungen, die derzeit fossile Energieträger nutzen, sollen laut Lindner weiter betrieben werden können, wenn sie dafür klimafreundliche Gase nutzen.

Neuausrichtung beim Naturschutz

Bei Eingriffen in Natur und Landschaft, beispielsweise durch den Bau von Windrädern oder Straßen, soll künftig Geld als Kompensation gezahlt werden können. "Damit können die Vorhabenträger Infrastrukturprojekte einfacher und schneller planen", erklärte die Ampel. Über die Mittel sollen dann größere und zusammenhängendere Flächen gekauft werden, um eine Renaturierung und den Naturschutz zu stärken - ein Aspekt, den auch viele Umweltorganisationen für sinnvoll halten.

Die Ampel-Koalition will zudem bei der Einrichtung von E-Ladestationen mehr Tempo machen. Betreiber von Tankstellen sollen gesetzlich verpflichtet werden, "binnen fünf Jahren mindestens einen Schnellladepunkt pro Tankstelle zu errichten", heißt es im Papier des Koalitionsausschusses. Für die Betreiber kleiner Tankstellen werde es aber eine Sonderregelung geben.

Keine Haushaltswirkung, Kindergrundsicherung ungelöst

Die Beschlüsse wirken sich laut Lindner nicht direkt auf den Bundeshaushalt für das kommende Jahr aus. So solle die Stärkung der Bahn-Infrastruktur über die Lkw-Maut finanziert werden und die Förderprogramme für Heizungen aus dem Klimafonds.

Sambolbild | Vater hält Hand von Kind
Die Kindergrundsicherung wurde von der Koalition zunächst zurückgestelltBild: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa/picture alliance

Der Streit um den Etat für 2024 und die Folgejahre ist demnach noch nicht gelöst. Er sei beim Koalitionsausschuss nur kurz angerissen worden, sagte Lindner. Auch zur Finanzierung und Gestaltung der ab 2025 geplanten Kindergrundsicherung äußerten sich die Koalitionäre nicht. In dem Programm sollen staatliche Leistungen für Familien wie Kindergeld und Kinderzuschlag zusammengefasst werden. Umstritten ist, ob auch Sätze erhöht werden.

Lob von der Industrie, Kritik von Verbänden

Die Beschlüsse stießen am Abend auf ein unterschiedliches Echo: Die Bauindustrie begrüßte den Beschluss. "Die Straße und auch die Autobahn werden die Verkehrsträger Nummer 1 in Deutschland bleiben", sagte Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.

Dagegen sprach die Deutsche Umwelthilfe von einem verheerenden Beschluss. "Wir fordern die Abgeordneten des Bundestages auf, das zu verhindern und die geplante Verschlechterung des schon wenig ambitionierten Gesetzes aus der Merkel-Ära rundweg abzulehnen", sagte Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer.

Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes, kritisierte, dass sich die Ampel nicht auf die Finanzierung der Kindergrundsicherung geeinigt habe.

mak/rb (dpa, rtr)