Auschwitz-Prozess: Sechs Jahre Haft gefordert
20. Mai 2016Der angeklagte ehemalige SS-Wachmann Reinhold Hanning habe am Vernichtungszweck des Lagers mitgewirkt, erklärte die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht Detmold. Der Tatbestand der Beihilfe sei erfüllt, weil der Angeklagte durch seinen Wachdienst zu einem Teil der grausamen Tötungsmaschinerie geworden sei, führte Oberstaatsanwalt Andreas Brendel aus. Es habe zur Aufgabe der Wachleute gehört dafür Sorge zu tragen, dass Häftlinge das Lager nicht lebend verließen. Durch das Ableisten seines Dienstes habe sich der ehemalige SS-Mann mit den Zielen seiner Auftraggeber solidarisiert.
Mord an mehr 100.000 Menschen
Hanning soll im Januar 1942 in das Konzentrationslager im damals deutsch besetzten Polen versetzt und dann unter anderem für die Bewachung des Lagers Auschwitz I zuständig gewesen sein. Als Angehöriger der Wachmannschaft war er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft an der Tötung mehr als 100.000 Menschen in der Zeit von Januar 1943 bis Juni 1944 beteiligt.
In Auschwitz habe es Massenerschießungen, Hungertod und die massenhafte Vergasung von Häftlingen gegeben, sagte die Staatsanwaltschaft weiter. Insgesamt waren im Vernichtungslager der Nationalsozialisten 1,1 Millionen Menschen umgebracht worden, vor allem Juden. "Wir sind es den Opfern schuldig, die Verbrechen auch heute noch zu verfolgen", so Brendel.
Angeklagter bat um Auschwitz-Opfer um Entschuldigung
Der Angeklagte verfolgte das Plädoyer der Staatsanwaltschaft mit unbewegter Miene. Hanning hatte im Prozess zugegeben, Mitglied der SS-Wachmannschaft in Auschwitz gewesen zu sein und von dem Massenmord gewusst zu haben. Er habe sich jedoch nicht gegen die Einberufung und den Einsatz als Wachmann wehren können, hatte der 94-Jährige in dem Prozess ausgesagt. Er bat die Holocaust-Überlebenden und Angehörigen der Opfer um Entschuldigung. Die Staatsanwaltschaft hingegen betonte, der frühere Wachmann hätte die Möglichkeit gehabt, um eine Versetzung zu bitten, ohne um sein Leben fürchten zu müssen.
Zu dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft war es am Detmolder Landgericht überraschend noch am 15. Verhandlungstag gekommen, nachdem die Kammer einen Befangenheitsantrag aus den Reihen der Nebenkläger zurückgewiesen hatte. Diese hatten sich damit gegen die Entscheidung des Gerichts wehren wollen, einen aus den USA angereisten Lager-Überlebenden nicht als Zeugen zu hören. In der kommenden Woche sollen die Plädoyers der Nebenkläger beginnen. Abschließend ist die Verteidigung an der Reihe.
cw/stu (dpa, epd)