Babyhandel-Prozess geht in die nächste Runde
10. März 2017Es ist eine Anklage mit großer politischer Sprengkraft: Im Niger müssen sich dreißig Personen aus Kreisen der Politik, des Militärs und der Wirtschaft wegen Babyhandels vor Gericht verantworten. Mitangeklagt sind Nigers Oppositionsführer Hama Amadou und eine seiner zwei Ehefrauen. In einem am Montag (13.03.2017) beginnenden Verfahren soll entschieden werden, ob die Vorwürfe gegen die Angeklagten so stichhaltig sind, dass ein eingehendes Gerichtsverfahren eröffnet wird.
Vor ein paar Jahren brach in der nigrischen Oberschicht ein regelrechter Babyboom aus: Frauen, denen jahrelang Nachwuchs verwehrt geblieben war, feierten auf einmal die Geburt eines Kindes. Kinderlos zu sein ist im Niger mit einem großen Stigma behaftet. "Paare, die keine Kinder bekommen können, versuchen in Nigeria Kinder zu kaufen, die dann nach Niger und auch nach Benin gebracht werden", sagt Klaas van Walraven vom Zentrum für Afrikanische Studien an der Universität Leiden.
In Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas, werden regelmäßig sogenannte "Baby-Fabriken" aufgedeckt. In solchen dubiosen Privatkliniken bringen Frauen Babys zur Welt, die dann gegen Geld weitergegeben werden. Häufig zwingt Armut die Mütter zu diesem Schritt, aber auch Gewalt durch Kinderhandel-Ringe und kriminelle Netzwerke, die den lukrativen Markt beherrschen. Sie sind schwer dingfest zu machen.
Wahlkampf aus der Gefängniszelle
Bekannt wurden die Vorwürfe gegen Amadou im Juni 2014. Der Oppositionspolitiker war zu diesem Zeitpunkt Parlamentspräsident. Als in Folge der Untersuchungen seine Immunität aufgehoben wurde, verließ er sein Land überstürzt. Von Frankreich aus gab er bekannt, bei der anstehenden Präsidentenwahl gegen Präsident Mahamadou Issoufou antreten zu wollen.
Als Amadou im November 2015 nach Niger zurückkehrte, wurde er bei seiner Einreise verhaftet. Trotzdem durfte er kandidieren und führte seinen Wahlkampf von seiner Zelle aus. Im ersten Wahlgang im Februar 2016 verfehlte Präsident Issoufou mit 48 Prozent der Stimmen knapp die absolute Mehrheit. Amadou kam als Zweitplatzierter auf rund 18 Prozent. In der Stichwahl im März unterlag er Issoufou, der 92 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Die Opposition zweifelt das Ergebnis an. Sie hatte den zweiten Wahlgang boykottiert.
Ist der Fall politisch motiviert?
Die Verdächtigungen gegen ihn und seine Frau stellt Amadou als politisches Manöver dar. Niger-Forscher van Walraven sieht das ähnlich: "Wahrscheinlich hat die Regierung den Fall für sich genutzt. Schließlich ist es die Regierung, die entscheidet, ob jemand vom Staat angeklagt wird."
Der Wahlsieg Issoufous habe die Opposition extrem geschwächt, so van Walraven. Der Experte hält es auch für kommende Wahlen für unwahrscheinlich, dass andere Parteien an die Reihe kommen - und genau das sei auch das Ziel der regierenden Nigrischen Partei für Demokratie und Sozialismus (PNDS): "Politik ist ein Spiel und die gegenwärtige Regierung zeigt schon einige autoritäre Reflexe", so van Walraven.
Amadou glänzt mit Abwesenheit
Amadous Anwalt Boubacar Mossi glaubt, dass sein Mandant schikaniert wird. "Es ist offensichtlich, dass man ihn vernichten will", so Mossi im DW-Interview. Amadou sei nach seiner Rückkehr in den Niger ohne Haftbefehl festgenommen worden und habe mehrere Monate im Gefängnis gesessen, ohne einem Richter vorgeführt zu werden: "Das ist Willkür." Mossi appelliert an das Gericht: "Wenn die Justiz unabhängig ist, wird sie meinen Mandanten von jeglichem Verdacht freisprechen. Die Entscheidung liegt in den Händen des Richters."
Die Justiz im Niger sei weitgehend unabhängig und ließe sich nicht von der Politik sagen, was zu tun sei, so van Walravens Einschätzung. Sollte Amadou verurteilt werden, müsste Niger zunächst ein Auslieferungsgesuch an Frankreich stellen: Dort hält sich der Oppositionspolitiker derzeit auf und wird voraussichtlich auch während des Prozesses mit Abwesenheit glänzen.