Bamboosero: Das Fahrrad, das im Dschungel wächst
Es ist so leicht wie Plastik, so stark wie Stahl und lässt die Herzen der globalen Hipster höher schlagen: Eine Initiative in Ghana baut Fahrradrahmen, die zu 99 Prozent aus Bambus bestehen.
Alternatives Verkehrsmittel
In afrikanischen Metropolen wird das Rad immer häufiger motorisierten Gefährten vorgezogen. Dies hat nicht nur ökologische Gründe: Benzin ist teuer und die Straßen sind überfüllt. Doch Drahtesel war gestern, der hippe Großstädter von heute schwingt sich auf sein Bambusrad. Der US-amerikanische Raddesigner Craig Calfee bildet Ghanaer zu Bambusfahrrad-Bauern aus.
Am Anfang war der Bambusstrauch
Bambusrad-Bauer Felix Peasah auf der Suche nach geeigneten Bambusästen. In Sachen Nachhaltigkeit sind seine Räder unschlagbar: Der Bau der Rahmen ist nahezu emissionsfrei und Bambus zählt zu den am schnellsten wachsenden Pflanzen auf diesem Planeten. In den Tropen gibt es den Rohstoff auch in entlegenen Gegenden zu Spottpreisen - wie hier in Abompe in der Ostregion Ghanas.
Gefahren aus dem Unterholz
Gummistiefel und Machete gehören zur Grundausstattung von Felix Peasah. Im Unterholz und in den Baumwipfeln lauern giftige Schlangen, Spinnen und Skorpione. Peasahs Vater wurde schon einmal bei der Arbeit von einer Schlange gebissen. Auf seinem Bambusrad brachte Peasah ihn in das rund zehn Kilometer entfernte Krankenhaus. "Ohne mein Rad wäre mein Vater gestorben."
Zuschnitt nach Norm
Mit dem Messschieber überprüft Felix Peasah den Durchmesser des Astes. Für einen stabilen Rahmen, der internationalen Normen entspricht, sollten Ober- und Unterrohr mindestens einen Durchmesser von 50 Millimetern haben. Außerdem muss das Holz vollkommen ausgereift sein, bevor es gefällt und weiter verarbeitet werden kann: Mindestens drei Jahre sollte die Pflanze alt sein.
Rasante Entwicklung
Nach der Ernte wird der Bambus in die Werkstatt gebracht und für einige Wochen zum Trocknen gelagert. 2007 hat Calfee die ersten Fahrrad-Bauer in Ghana ausgebildet. Auch in Sambia, Uganda, der DR Kongo, auf den Philippinen, in Katar und Indien gibt es mittlerweile sogenannte Bamboosero-Projekte. Die Produktion in Ghana ist laut Calfee die erfolgreichste.
Leicht wie Plastik, stark wie Stahl
Raddesigner Calfee schwärmt für Bambus: "Es ist nicht nur der grünste Rohstoff auf dem Markt, sondern auch so leicht wie Plastik und so stark wie Stahl." Außerdem federe es Erschütterungen besser ab als anderes Material. "Wir nennen es den Fliegenden-Teppich-Effekt, weil man das Gefühl hat, über Schlaglöcher zu fliegen", so Calfee.
Rahmen nach Zahlen
Sechs Bambusrohre, ein Hanfseil und ein wenig von dem Kunstharz Epoxid - das sind die Bestandteile eines Rahmens. Damit dieser den internationalen Normen entspricht und Kunden überall auf der Welt problemlos ihr Bambusrad zusammensetzen können, gibt es für den Bau der Rahmen eine Art Schablone. Im Angebot: Mountain-, Cargo-, City- und Rennräder.
Einmal durch Ghana und zurück
Wisdom Toxla in seiner Werkstatt in Ghanas Hauptstadt Accra. Sein erstes Rad hat er als Kind aus Holz gebaut. "Meine Eltern hatten kein Geld, mir eines zu kaufen." Später arbeitete er als Mechaniker beim ghanaischen Rennradteam. In diesem Jahr plant Toxla eine Tour mit seinem Bambusrennrad durch ganz Ghana: von Accra im Süden bis Tamale im Norden und zurück.
Familienbetrieb
Hier hängen die zusammengeleimten Rahmen zum Trocknen. Mit dem Verkauf kann Toxla seine Familie ernähren und seine drei Kinder zur Schule schicken. Eine Chance, die der Analphabet selbst nie hatte. "Mein ältester Sohn ist mein Sekretär. Er hilft mir bei der Buchführung und bei E-Mails. Eines Tages wird er das Geschäft übernehmen."
Der letzte Schliff
Nachdem die Einzelteile verleimt und getrocknet sind, wird der komplette Rahmen mit feinem Sandpapier abgeschliffen, ehe er lackiert wird. Das Epoxidharz ist in Ghana schwer aufzutreiben, Importe sind teuer. Immer wieder muss Projekt-Initiator Calfee aushelfen.
Ein echtes Liebhaberstück
Rund 56 Stunden Handarbeit stecken in solch einem Rahmen. Toxlas Geschäftspartner verkaufen ihn dann für bis zu 500 US-Dollar, er selbst erhält davon etwas weniger als die Hälfte. Bis zu vier Rahmen im Monat kann Toxla in seiner kleinen Werkstatt bauen. In der Praxis seien es meist weniger. Ihm fehlten eine Website und ausreichend internationale Partner, sagt Toxla.
Aus Ghana in die weite Welt
Die meisten Kunden kommen aus Europa und den USA. Calfees ursprüngliche Idee war es indes nicht, die Bambusräder zu exportieren, sondern erschwingliche Räder von Ghanaern für Ghanaer zu produzieren. Doch der lokale Markt wird seit Jahren von billigen Chinaimporten und Secondhand-Rädern aus Europa überschwemmt - mit den Preisen können die Baumbusrad-Bauer nicht mithalten.