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Beispiel für aufrechten Gang

17. Juni 2003

Der 17. Juni 1953 ist ein zentrales Datum der deutschen Nachkriegsgeschichte, das jedoch über Jahrzehnte nicht entsprechend wahrgenommen wurde. Das scheint sich nunmehr zu ändern. Marcel Fürstenau kommentiert.

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Der Aufstand vom 17. Juni 1953 in war der erste im sowjetischen Machtbereich und wurde letztlich mit Panzern der Roten Armee niedergewalzt. Das gleiche Schicksal erlitten 1956 die Ungarn und 1968 die Tschechoslowaken, als sie in diesen Ostblock-Staaten einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz schaffen wollten. Im Gedächtnis der Deutschen verblasste die Erinnerung an den 17. Juni erschreckend schnell, obwohl das Ereignis in der Bundesrepublik bis zur Wiedervereinigung als "Tag der deutschen Einheit" gewürdigt wurde. Ein gesetzlicher Feiertag, den die meisten Menschen im Westen als zusätzlichen arbeitsfreien Tag mitten im Sommer genossen, während die im Osten arbeiten mussten.

Natürlich tat das DDR-Regime alles, um dieses Datum totzuschweigen. Und wenn davon die Rede war, dann als "faschistischer Putschversuch" der Amerikaner und ihrer Handlanger in der angeblich revanchistischen BRD.

Um so erstaunlicher ist die in diesem Jahr zu beobachtende Wiederentdeckung des 17. Juni 1953 als eines der wenigen Beispiele für aufrechten Gang und Zivilcourage der Deutschen. In einer Reihe stehend mit den Revolutionären von 1848 und 1989. Das Erfreuliche dabei: Diese Wahrnehmung ist offenbar nicht nur dem Umstand geschuldet, dass der 50. Jahrestag des DDR-Volksaufstands ein Großereignis für Medien und Wissenschaftler ist. Die intensive Beschäftigung mit dem Ereignis selbst, seiner Vorgeschichte und seinen Folgen hat dazu geführt, diesem historischen Datum endlich die ihm gebührende Anerkennung und zum Teil notwendige Neubewertung angedeihen zu lassen.

Endlich ist klargestellt, dass der von Arbeitern ausgelöste Sturm auf das SED-Regime von Menschen aus unterschiedlichsten sozialen Klassen unterstützt wurde. also ein Volksaufstand im besten Sinne war. Angestellte machten mit, private Geschäftsleute, die es damals in der DDR noch gab. Die Kirchen waren dabei und - nicht zuletzt - viele Polizisten und Partei-Funktionäre. Auch die Mär vom Protest, der sich auf Ost-Berlin beschränkte, ist endgültig widerlegt: In 700 Städten und Dörfern brachten über eine Million Ostdeutsche die DDR an den Rand des Zusammenbruchs.

Die größte Enttäuschung bereitete ihnen der Westen. Weder die Bundesregierung noch die Sieger- und Besatzungsmächte USA, Großbritannien und Frankreich unterstützten den Freiheitskampf in der sowjetisch besetzten Zone namens DDR. Außer müden Solidaritätsadressen kam nichts. Die Adenauer-Regierung in Bonn wollte die Westeinbindung der Bundesrepublik nicht gefährden. Und die Alliierten wollten acht Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg nicht im Traum an ein wiedervereinigtes, womöglich politisch neutrales Deutschland denken. Diese Geisteshaltung und praktizierte Politik war letztlich Voraussetzung für den Bau der Berliner Mauer 1961. Denn die Machthaber in Ost-Berlin und im Moskauer Kreml durften darauf vertrauen, dass der Westen auch diesmal passiv bleiben würde.

Es passte ins Bild, dass der "Tag der deutschen Einheit" in dem Moment als Feiertag abgeschafft wurde, als die Einheit vollzogen war: am 3.Oktober 1990. Ein Datum, das an die staatliche Vereinigung erinnert, einen Verwaltungsakt. Ein feierlich begangener zwar, aber nichts, was die Menschen bewegt. Es wäre auch deshalb besser gewesen, den 17.Juni als "Tag der deutschen Einheit" beizubehalten. Oder den 9. November dazu zu machen. Jenen Tag, an dem mutige Ostdeutsche die Mauer zum Einsturz brachten und damit vollendeten, was ihren Vorkämpfern am 17. Juni 1953 nicht vergönnt war.