Vom Comicsammler zum Büchertycoon
10. Februar 2021"Ich will kein Taschenbuch, ich will ein Buch von TASCHEN." So lautete eine der ersten großen PR-Kampagnen von Benedikt Taschen. Der Aufstieg des am 10. Februar 1961 in Köln geborenen Verlegers hat etwas vom American Dream: vom Comic-Nerd zum Bücher-Tycoon.
Als 18-Jähriger gründet er einen Comic-Verlag in seiner Heimatstadt Köln und verschickt schon damals Exemplare in die Welt. Kurze Zeit später sattelt er um und steigt in das Kunstbuchgeschäft ein. 1984 schafft er seinen ersten geschäftlichen Durchbruch. Mit dem mühsam zusammengekratzten Geld von Tante und Eltern kauft er für je einen Dollar 40.000 Exemplare eines US-amerikanischen Bildbands des belgischen Surrealisten René Magritte. Innerhalb kürzester Zeit bringt er alle Bände für 9,99 DM (entspricht heute rund 5 Euro) an den Kunden. Das Taschen-Kunstbuch für die Massen ist geboren. "Wir hatten damals in der ganzen Welt Restposten und Bücher gekauft, die andere zu regulären Preisen nicht absetzen konnten. René Magritte war ein großer Held von mir", erinnert sich Benedikt Taschen in einem Interview vor einiger Zeit mit der DW.
Picasso-Band legte Grundstein für Kunstbuchserie
Die erste erfolgreiche TASCHEN-Produktion im eigenen Verlag entsteht im Jahr 1985 und heißt: "Picasso - Das Genie des Jahrhunderts". Der erste Band der so genannten "Basic Art Series" wird in 25 Sprachen übersetzt. Preisgünstige Dali- und van Gogh-Bildbände für 9,99 DM folgen und entwickeln sich schnell zu Kassenschlagern. "Am Anfang hatten wir versucht, von anderen Verlagen Lizenzen zu kaufen, aber die wollten uns nichts verkaufen und dann mussten wir anfangen, selber zu verlegen, was auch viel besser war. So konnten wir die Bücher genauso produzieren, wie wir das für richtig hielten."
Benedikt Taschen ist ein Verleger der Extreme: Er presst Pornografisches genauso zwischen zwei Buchdeckel wie Pop-Art, Fotos von Leni Riefenstahl, Architektur exklusiver Hotels, Inneneinrichtungen Pariser Wohnpaläste oder die komplette Kollektion antiker Vasen. "Dass wir diesen Bogen gespannt haben von klein bis groß, von konservativ bis progressiv, von high bis low, da sind wir stolz drauf", so Taschen. Im Angebot des Taschenverlags finden sich Bände der Luther-Bibel genauso wie Bücher über den Fetisch-Fotografen Elmer Batters, der sein Leben lang nur Frauenbeine fotografiert hat. Diese Bandbreite, die alle Interessen bedient, ist ein Anliegen und das Alleinstellungsmerkmal von Benedikt Taschen.
Erster verlegerischer Flop: "Kölner Junggesellen"
Einige Projekte floppten aber auch. Einer der Taschen-Rohrkrepierer war der Foto-Band "Kölner Junggesellen". Ein Who's who heiratswütiger kölscher Jungs. Doch meistens haben die Leselieblinge überwogen: Benedikt Taschens Trick ist es, mithilfe einer hohen Startauflage von 50.000 bis 100.000 Exemplaren und einer kostengünstiger Ausstattung die Preise zu drücken. Trotzdem ist das Niveau der Texte, Themen und die Qualität des Drucks sehr hoch.
Ein Erfolgsrezept, das viele Neider und Nachahmer fand. "Zu einem bestimmten Zeitpunkt wurde die Konkurrenz weltweit so stark, weil wir mit Abstand der am meisten kopierte Verlag sind und es heute noch sind, dass wir gesagt haben, das können wir nicht mitmachen. Unsere Bücher sind sowieso extrem preiswert, billiger kann man sie nicht machen. So entstand die Idee, in eine andere Richtung zu gehen, nämlich die exklusivsten Bücher der Welt zu produzieren."
TASCHEN auch fürs Luxussegment
Benedikt Taschen entscheidet sich, nicht nur die billigsten, sondern auch die teuersten Bücher der Welt zu produzieren. Mit "Sumo", dem mehr als vierhundert Seiten starken und ein Meter großem Fotoband von Helmut Newton, ist dem Verlag vor 20 Jahren ein gigantischer Coup gelungen. Das Buch wiegt 30 Kilogramm und kostet dreitausend Euro. Die Bände sind schnell vergriffen. Sammler verlangen mittlerweile ein Vielfaches für ein Exemplar dieses Mammutbuchs. Ganze 25 Kilogramm bringt der Fotoband "GOAT: A Tribute To Muhammad Ali" auf die Waage. Die Bücher passen in kein Regal mehr, sie werden auf einem Designer-Tisch von Philipp Starck geliefert. Das Buch als Skulptur und Wohn-Accessoire für Bibliophile. Doch sein Hauptgeschäft macht Benedikt Taschen nicht mit Neuerscheinungen. "Wir sind ein typischer Backlistverlag, ein Verlag, der von dem lebt, was er schon mal gemacht hat und die meisten Bücher können nur wirtschaftlich funktionieren, wenn sie über Jahre im Programm bleiben." Preiswert seien die Bücher nur, weil er sie in einhundert Länder verkaufe, so Taschen. Alle werden mindestens in drei Sprachen übersetzt.
Wohnsitz in Los Angeles
Benedikt Taschen arbeitet in großen Dimensionen. Buchhändler können keine Einzelexemplare, sondern nur in hohen Stückzahlen beim Verlag ordern.
Als einer der ersten hat Benedikt Taschen außerdem den globalen Buchmarkt erobert. Neben Köln hat er Büros in Paris, Tokyo, Los Angeles, Madrid und London. "In bestimmte asiatische Ländern oder in den Nahen Osten lassen sich Kunstbücher von Gustav Klimt oder Renoir wegen der dortigen Zensurgesetze nicht verkaufen, aber im Grunde ist das Programm weltweit lieferbar."
In der Welt zu Hause ist auch Benedikt Taschen selbst, der nicht nur als Verleger, sondern auch als Kunstsammler ein gutes Händchen beweist. Die Verlagsleitung teilt er sich seit einigen Jahre mit seiner ältesten Tochter Marlene. Inzwischen lebt er die meiste Zeit in seinem Haus in den Bergen von Los Angeles. Über dessen Architekt, John Lautner, hat Benedikt Taschen längst auch ein Buch herausgegeben. Das achteckige Gebäude namens "Chemosphere" ist eine Ikone der modernen Architektur. Es gleicht einem Ufo und ist über eine Seilbahn erreichbar. Dort hält er sich während des Lockdowns auf und wartet wie so viele, bis die Pandemie vorbei ist und die Buchhandlungen wieder öffnen.