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Patriarch mit Polizeischutz

Christoph Strack14. Mai 2014

Der ranghöchste orthodoxe Geistliche besucht das politische Berlin und trifft dabei Bundespräsident Gauck und Bundestagspräsident Lammert. Der Patriarch ruft zu Frieden und Umweltschutz auf.

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Bartholomaios I. und Joachim Gauck Schloss Bellevue Berlin; Foto: Stephanie Pilick/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Dieser Hinweis war dem Patriarchen offensichtlich ein Anliegen: Bei Bundespräsident Joachim Gauck und bei Bundestagspräsident Norbert Lammert erwähnte der griechisch-orthodoxe Patriarch Bartholomaios, dass in Deutschland "über eine Million orthodoxer Christen unterschiedlicher nationaler Herkunft leben, die seit 50 Jahren auf ihre Art und Weise die deutsche Gesellschaft bereichern".

Bei allen innerdeutschen Debatten über die Schwierigkeiten von Integration sehen orthodoxe Vertreter den Beitrag ihrer Gemeindemitglieder in der Bundesrepublik nicht ausreichend gewürdigt. Dabei ist der Anlass des Besuchs des 74-jährigen Bartholomaios die 50-jährige Präsenz seiner Kirche in Deutschland.

Besuch nach 21 Jahren

Zum zweiten Mal besucht das Ehrenoberhaupt von rund 300 Millionen orthodoxen Christen offiziell Deutschland. Vor 21 Jahren traf er in Bonn Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und Bundeskanzler Helmut Kohl und sprach mit ihnen über die Situation nach dem Ende des Kalten Krieges. Nun traf er Gauck, Lammert und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Ein offizieller Konvoi aus Polizeimotorrädern begleitete ihn durch die Hauptstadt.

Aber diese Wertschätzung gilt heute weniger der Etikette, denn einem Lebenswerk. Denn Bartholomaios tritt seit langem auf internationaler Ebene mit Appellen zu Frieden und Gerechtigkeit sowie für mehr Bemühungen beim Umweltschutz auf. Und er steht für bessere Beziehungen zwischen den getrennten Kirchen im Westen und Osten, die bis vor 50 Jahren kaum einen ernsthaften Dialog führten.

Bei all seinen politischen Begegnungen in Berlin betonte Bartholomaios, dass das in Istanbul ansässige Patriarchat eine "rein geistliche Tätigkeit" ausübe und keine Politik betreibe. "Politik betreiben" - anders als vor gut 50 oder 100 Jahren schwingt da keine Abgrenzung von den Westkirchen mit. Es gehe ihm und der Orthodoxie, so Bartholomaios bei Lammert, "um die zeitgenössischen Fragen, die den Menschen, den heutigen Menschen beschäftigen, die sie ignorieren oder vernachlässigen. Es sind unter anderem Fragen des Friedens, des Hungers, von Krankheiten, der Globalisierung und der drohenden ökologischen Katastrophe, die unsere Kirche beschäftigen." Und gerade bei der Umweltfrage hat sich der Patriarch weltweites Ansehen erworben. Die "drohende ökologische Katastrophe unseres Planeten" bedrohe die gesamte Menschheit. Ursache dieses Übels sei "die unersättliche Habgier von Personen und Völkern".

Bartholomaios I. und Joachim Gauck Schloss Bellevue Berlin, Foto: Stephanie Pilick/dpa
Bartholomaios I trägt sich in Schloss Bellevue in das Gästebuch einBild: picture-alliance/dpa

Patriarch will EU-Beitritt der Türkei

Bereits vor seinen offiziellen Terminen in der großen deutschen Politik hatte sich Bartholomaios für eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union ausgesprochen und damit ein langjähriges politisches Streitthema aufgegriffen. Dahinter steckt sein Anliegen, durch europäische Unterstützung ein besseres Standing gegenüber dem türkischen Staat zu erreichen, der das recht kleine Patriarchat am Bosporus mit seinem großen internationalen Anspruch immer wieder schikaniert. Auch das Thema Türkei kam in den politischen Gesprächen zur Sprache. Auf dem Programm des griechisch-orthodoxen Geistlichen stand auch ein Gespräch mit dem türkischen Botschafter.

Der Patriarch erläuterte Lammert, dass die Lage für seine Kirche besser sei als in früheren Jahren - dennoch seien nicht alle Probleme gelöst. Und er erinnerte daran, das vor allem die Schließung der Griechisch-Orthodoxen Hochschule den Bestand der orthodoxen Kirche in der Türkei gefährde. Lammert griff das auf: "Die Schließung der Hochschule der Griechisch-Orthodoxen Kirche in der Türkei ist eine zentrale Behinderung der theologischen Ausbildung und damit der Religionsfreiheit", kritisierte er. Auch bei der Begegnung mit Kanzlerin Merkel klang das Thema an. Bartholomaios dankte für die beiden Besuche der Regierungschefin in seinem Patriarchat - die stets sehr bewusst platziert seien und von der türkischen Seite aufmerksam registriert würden.

Versöhnung der Kirchen

Und es ging auch um das Thema der gerade für Deutschland wichtigen Ökumene mit den Kirchen der Reformation. Den Bundespräsidenten sprach Bartholomaios auch in seiner "vorherigen Eigenschaft eines Pastors der Evangelischen Kirche in Deutschland" und "ehemaligen religiösen Verantwortungsträger" an. Nach seinen politischen Gesprächen am Abend stand - ein bemerkenswertes Zeichen der Annäherung von Orthodoxen und Protestanten - eine Rede des Patriarchen im Berliner Dom an.

"Als Menschen, die den Glauben an Gott bekennen, müssen wir ja als erste dieses Beispiel der Versöhnung und Aussöhnung geben", formulierte er bei Gauck. Vielleicht nimmt Bartholomaios ja auch einen Wunsch mit, den ihm der Bundestagspräsident genannt hatte. Der 500. Jahrestag der Reformation im Jahre 2017 sei, so Lammert, ein "Ereignis der europäischen Kulturgeschichte, das auch als Herausforderung zur Wiederherstellung der Einheit des Christentums dienen könnte".

In zehn Tagen trifft der Gast aus Istanbul in Jerusalem das römisch-katholische Kirchenoberhaupt, Papst Franziskus. Die Spitzenrepräsentanten der Christen in Ost und West wissen nun gewiss auch um den Wunsch von Politikern nach mehr ökumenischer Offenheit.