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Politik

Berlin: Viele Fragen zum Tod Al-Bakrs

Nina Werkhäuser
13. Oktober 2016

Nach dem Suizid des Terrorverdächtigen Dschaber Al-Bakr fordern Berliner Politiker eine lückenlose Aufklärung. Der Syrer hatte sich am Mittwochabend in seiner Gefängniszelle in Leipzig stranguliert.

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Deutschland PK zum Tod des Terrorverdächtigen Al-Bakr
Pressekonferenz zum Fall Al-Bakr am Donnerstag in Dresden Bild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Am Tag nach dem Suizid des Terrorverdächtigen Dschaber Al-Bakr sind Berliner Politiker fassungslos, schockiert und ratlos. Wie konnte das passieren, obwohl die Gefängniszelle Al-Bakrs intensiv überwacht wurde, lautet die am häufigsten gestellte Frage im Kurznachrichtendienst Twitter.

Auch der Pflichtverteidiger Al-Bakrs, Alexander Hübner, zeigte sich im Gespräch mit der Deutschen Welle fassungslos. Für ihn besteht kein Zweifel daran, dass bei seinem Mandanten eine Selbstmordgefahr vorlag. "Dass ein Selbstmord-Gefährdeter nicht ankündigt, dass er Selbstmord begehen will, ist in der Psychologie eigentlich bekannt."  

Rückschlag für die Ermittlungen

Al-Bakr hatte sich mit einem Hemd, das er von der Justizvollzugsanstalt Leipzig bekommen hatte, am Mittwochabend am Zwischengitter seiner Zelle stranguliert. Am Dienstag hatte er die Lampe in seiner Zelle aus der Decke gerissen und die Steckdosen manipuliert, außerdem hatte er weder essen noch trinken wollen. Dennoch schätzte ihn das Personal des Gefängnisses als "nicht akut suizidgefährdet" ein. Nach Angaben des Anstaltsleiters Rolf Jacob seien die Kontroll-Intervalle für Al-Bakrs Zelle von anfänglich alle 15 auf alle 30 Minuten heraufgesetzt worden.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sieht den Suizid Al-Bakrs als Schlappe für den Anti-Terror-Kampf. "Die Ermittlungen jedenfalls sind dadurch erschwert worden", sagte der CDU-Politiker am Rande eines Treffens der EU-Innenminister in Luxemburg. Das sei ein Rückschlag für die Aufklärung weiterer möglicher Tatbeteiligter, der Hintermänner und  Netzwerke.

Der Syrer Dschabr Al-Bakr, Foto: picture-alliance/dpa/Polizei Sachsen
Hatte den Sprengstoff für eine möglichen Anschlag schon vorbereitet: Der Syrer Dschabr Al-BakrBild: picture-alliance/dpa/Polizei Sachsen

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach nannte den Suizid eine "wahre Tragödie". Da Al-Bakr anscheinend zu einer Aussage bereit gewesen sei, verliere man "eine wichtige Informationsquelle". Es gebe noch viele offene Fragen, deren Beantwortung wichtig für die Sicherheit in Deutschland gewesen wäre.

Kritik an der sächsischen Justiz

Der Suizid sei ein "Fiasko für die sächsische Justiz", da die Suizidgefährdung des Terrorverdächtigen bekannt gewesen sei, betonte auch der Grünen-Politiker Konstantin von Notz. Dass die "Schlüsselfigur" Al-Bakr nun nicht mehr zu den Anschlagsplänen befragt werden könne, sei "eine Niederlage auch für die Aufklärung, die wir machen müssen".

Der Innenausschuss des Bundestags will sich in der kommenden Woche mit dem Thema befassen - auch mit möglichen Fehlern bei der Festnahme Al-Bakrs, der der Polizei in Chemnitz zunächst entkommen war. Laut von Notz geht es darum, solche "grauenvollen Fehler" zukünftig zu verhindern.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, zeigte sich ebenfalls fassungslos über die fortgesetzten Pannen in Sachsen. "Das ist eine beispiellose Aneinanderreihung von Polizei- und Justizversagen. Es fehlt in Sachsen offensichtlich jede Voraussetzung für eine professionelle Terrorbekämpfung."

Der sächsische Justizminister Sebastian Gemkow bei der Pressekonferenz zum Tod des Terrorverdächtigen Al-Bakr
Lehnt einen Rücktritt ab: Der sächsische Justizminister Sebastian GemkowBild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Rücktrittsforderungen 

Linken-Chefin Katja Kipping forderte nach dem Suizid als Al-Bakrs den Rücktritt des sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow (CDU). "Die sächsische Justiz ist eine Schande für jeden Rechtsstaat", sagte Kipping der Deutschen Presse-Agentur. Weder könnten so die Mittelsmänner ausfindig gemacht werden noch werde es Informationen zu den Hintergründen der Tat geben. Der sächsische Justizminister lehnte einen Rücktritt aber ab. Dafür gebe es im Moment keine Veranlassung, erklärte Gemkow am Vormittag in Dresden. 

Zu einer anderen Einschätzung kommt der sächsische Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD), der der Justizvollzugsanstalt eine Mitschuld am Suizid Al-Bakrs gibt. "Es ist offensichtlich zu einer Reihe von Fehleinschätzungen sowohl über die Bedeutung als auch den Zustand des Gefangenen gekommen", sagte Dulig. Es könne nicht sein, dass ein unter Terrorverdacht stehender Mann wie ein "Kleinkrimineller" behandelt werde.

Neue Nahrung für Verschwörungstheorien?

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft verlangt eine lückenlose Aufklärung der Geschehnisse. Gewerkschaftschef Rainer Wendt kritisierte, der Suizid Al-Bakrs gebe Verschwörungstheoretikern neue Nahrung und sei ein herber Rückschlag für das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat.

Der Suizid Al-Bakrs ist auch unter in Berlin lebenden Syrern ein Gesprächsthema. Warum wurde er nicht mit Kameras überwacht? fragt Monis Bhukari, der Gründer des "Syrischen Hauses" in Berlin auf Facebook. In der Geschichte dieses Selbstmordes gebe es "viele Fragezeichen", meint Bhukari. Zwar gibt es im Gefängnis besonders gesicherte Hafträume, in denen ein Suizid praktisch unmöglich ist. In einer solchen wurde Dschaber Al-Bakr aber nicht untergebracht - laut Gefängnisleitung wegen der Einschätzung, es liege bei ihm keine akute Suizidgefahr vor.

 

Nina Werkhäuser Reporterin