Bobby Fischer und das Match des Jahrhunderts
Für viele Schachfans ist er immer noch der Größte: Robert ("Bobby") Fischer errang vor 50 Jahren in Island den WM-Titel. Seitdem sind der US-Amerikaner und das Match in Reykjavik zum Mythos geworden.
Schach-WM 1972 - Bobby Fischer triumphiert in Reykjavik
Er war nicht zu stoppen: Bobby Fischer auf dem Weg zum WM-Titel im Schachsport. Der damals 29-jährige Großmeister aus New York gilt als genauso exzentrisch wie genial. Das Match gegen den russischen Champion Boris Spasski geht in die Geschichte ein. Das Foto entstand am 23. August 1972 - eine Woche später erreichte Fischer sein großes Ziel, auf das er seit seiner Jugend hingearbeitet hatte.
Ende eines Nervenkriegs
Am 1. September 1972 ist es soweit: Nach einem spannenden Match setzt sich Fischer mit 12,5:8,5 Punkten deutlich gegen Spasski durch. Die Sowjetunion hat damit zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg die Schach-Krone verloren - ausgerechnet an einen US-Amerikaner. Die Welt ist fasziniert von dem Zweikampf Ost gegen West mitten im Kalten Krieg.
Das Schach-Wunderkind
Rückblick: Robert James Fischer (genannt "Bobby") wird am 9. März 1943 in Chicago geboren. Er wächst im New Yorker Stadtteil Brooklyn bei seiner Mutter auf. Die Familie hat wenig Geld. Fischers Mutter ist Krankenschwester und wird als Kommunistin vom FBI beobachtet. Bobby ist schon als Kind ein sehr starker Schachspieler: 1958 - mit nur 14 Jahren - gewinnt er zum ersten Mal die US-Meisterschaft.
Allein gegen alle
Mit 16 Jahren gilt Fischer bereits als einer der besten Schachspieler der Welt. Seine großen Konkurrenten kommen aus der Sowjetunion, die den Schachsport seit dem Zweiten Weltkrieg dominiert. Fischers großes Vorbild damals ist der lettisch-sowjetische Großmeister und spätere Weltmeister Michail Tal. 1959 treffen die beiden in Zürich aufeinander. Die Partie endet Remis.
Der Rivale: Boris Spasski
Im Laufe der 1960er-Jahre entwickelt sich Boris Spasski (rechts) zum besten Spieler der Sowjetunion. Spasski erringt schließlich 1969 den Weltmeister-Titel. Vor dem Match in Island hatte er noch nie gegen Bobby Fischer verloren. Entsprechend siegesgewiss war der in der Schach-Szene beliebte Russe nach Reykjavik gekommen. Hat er Fischer unterschätzt?
Das Match des Jahrhunderts
Tritt Fischer überhaupt an? Die Verhandlungen mit Fischer vor dem Titelkampf 1972 sind kompliziert. Das ehemalige Wunderkind aus New York misstraut den sowjetischen Schachspielern und dem Weltschachverband. Erst in letzter Minute gelingt es den isländischen Organisatoren, Fischer nach Reykjavik zu holen. Gleich in der ersten Runde kassiert er eine Niederlage.
Fischers Triumph
Im Laufe des Wettkampfs übernimmt Fischer aber immer mehr die Initiative. Die letzte Partie des Zweikampfs wird am 31. August 1972 als Hängepartie unterbrochen. Am nächsten Tag erscheint Spasski nicht mehr zur Wiederaufnahme der Partie und teilt dem deutschen Schiedsrichter Lothar Schmid am Telefon die Aufgabe der Partie mit. Damit steht am 1. September 1972 fest: Bobby Fischer ist Weltmeister.
1992 - Fischer taucht wieder auf
Was folgt, ist das größte Rätsel der Schachgeschichte: Nach der WM zieht sich der neue Weltmeister völlig vom Schach zurück. Er verliert kampflos den Titel. Nur einmal noch kehrt er ans Schachbrett zurück. 1992 tritt er in einem Privatkampf in Serbien wieder gegen Boris Spasski an - und gewinnt. Doch Fischer verstößt gegen US-Sanktionen und ist seitdem auf der Flucht vor der Justiz seines Landes.
Rückkehr nach Reykjavik
2005 ist Fischers Flucht zu Ende: Er sitzt in Abschiebehaft in Tokio. Zuletzt war er immer wieder mit antiamerikanischen und antisemitischen Tiraden aufgefallen. Doch die Isländer haben den Ex-Champion nicht vergessen: Eine Gruppe von Schachspielern schafft es, den kranken Fischer nach Reykjavik zu holen. Dort verbringt er seine letzten Lebensjahre. Bobby Fischer stirbt 2008.
Schach boomt
Im Jahr 2020 - fast 50 Jahre nach dem "Match des Jahrhunderts" - ist Schach auf einmal wieder in aller Munde. Die Netflix-Serie "Das Damengambit" mit der US-Schauspielerin Anya Taylor-Joy in der Rolle des Schachgenies Beth Harmon wird zum TV-Erfolg in der Corona-Zeit. Die Figur Beth Harmon greift Motive aus Bobby Fischers Leben auf. Der Mythos lebt.
Magnus Carlsen - Fischers Nachfolger?
Bobby Fischer galt lange für viele als der beste Spieler aller Zeiten. "Fischer war ein ungemein kämpferischer Spieler, das beeindruckt noch heute," so der isländische Großmeister Helgi Olafson, der Fischer in seinen letzten Jahren auf Island unterstützte. Dieser unbändige Siegeswille zeichnet auch den aktuellen Weltmeister Magnus Carlsen aus - der wie Fischer schon als Kind überragend spielte.
Ein deutsches Wunderkind
Überragend gut ist seit einigen Jahren auch ein junger Deutscher. Vincent Keymer (rechts) ist inzwischen 17 Jahre alt, der beste Schachspieler in Deutschland und auf dem Weg in die Top-10 im Weltschach. Mit 14 Jahren spielte er zum ersten Mal gegen Weltmeister Magnus Carlsen - und verlor knapp. Auch Keymer hat eine Verbindung nach Reykjavik. 2021 wurde er dort sensationell Vize-Europameister.
Bobby Fischer (1943 - 2008)
Bobby Fischer hat 2008 seine letzte Ruhe auf Island gefunden. Sein Gegner im "Match des Jahrhunderts", der Russe Boris Spasski, lebt heute zurückgezogen in Moskau - nach zwei Schlaganfällen ist er auf den Rollstuhl angewiesen. "Spasski hat sich immer um Fischer Sorgen gemacht", so der isländische Schachmeister Helgi Olafson, der beide Spieler gut kannte, "wie ein großer Bruder."
Sommer 1972 - Ost gegen West. Mitten im Kalten Krieg treffen die beiden stärksten Schachspieler ihrer Zeit in der isländischen Hauptstadt Reykjavik aufeinander. Das Schachmatch zwischen Bobby Fischer und dem russischen Titelverteidiger Boris Spasski fasziniert noch heute und ist in die Schach-Geschichte eingegangen. Doch diese Geschichte endet nicht am 1. September 1972 mit dem Titelgewinn Fischers: Der Mythos als "Match des Jahrhunderts" wirkt bis heute - und Reykjavik wird zum Schicksalsort für Bobby Fischer.