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Bulgarien und die Flüchtlinge

Alexander Alexander/Georgi Papakotchev9. August 2016

Da die westliche Balkanroute gesperrt ist, versuchen Flüchtlinge und Migranten immer öfter über die östlichere bulgarische Grenze in die EU zu gelangen. Die Regierung in Sofia will das verhindern und plant neue Zäune.

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Stacheldrahtzaun an der Grenze zwischen Türkei und Bulgarien (Foto: picture alliance/dpa )
Kaum passierbar - Stacheldrahtzaun an der Grenze zwischen Türkei und BulgarienBild: picture-alliance/dpa

Rezovo ist die südöstlichste Ortschaft in Bulgarien. Über die Schwarzmeermündung des Rezovska-Flusses sind es nur einige hundert Meter bis zum nächstgelegenen türkischen Dorf. Die Einwohner von Rezovo machen sich schon Sorgen, dass sie bald mit Bootsflüchtlingen aus der Türkei zu tun haben werden. Nach dem Putschversuch im Nachbarland befürchtet man in dem EU-Mitgliedsstaat Bulgarien, dass das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei vor dem Scheitern stehe und dass Ankara die Flüchtlinge über die 240-Kilometer lange bulgarische Grenze einfach weiterziehen lassen könnte.

Mittlerweile gibt es an der Grenze einen 30 Kilometer langen und 3,5 Meter hohen Zaun. Nun soll dieser Zaun so schnell wie möglich auf die gesamte Grenzlänge zur Türkei erweitert werden.

Zudem will man auch die 484 Kilometer lange Grenze im Süden zu Griechenland mit einem Zaun sichern. Denn seitdem Mazedonien die Grenze zu Griechenland geschlossen hat, beobachten die Bulgaren, dass die Flüchtlinge verstärkt versuchen, über ihre Grenze in die EU zu gelangen.

Asylbewerber in Bulgarien (Foto: Emanuela Barbiroglio, DW)
Gestrandet im Nirgendwo: Flüchtlinge an der bulgarisch-türkischen GrenzeBild: DW/E.Barbiroglio

Sofia ist an guten Beziehungen zur Türkei sehr interessiert, nicht zuletzt auch wegen der großen türkischen Minderheit im Land. Dabei gehe es nicht nur darum, dass man die Kommunikationskanäle offen halte, sondern auch "dass man alles tut, damit [Ankara] seinen Verpflichtungen nachkommt und wir nicht von einer Flüchtlingswelle überflutet werden", so der bulgarische Premier Boiko Borissov. Er erklärte, dass Bulgarien von der EU Hilfen in Höhe von sechs Millionen Euro erwarte. Zudem wolle auch die bulgarische Regierung Mittel bereitstellen, um den Ausbau der Grenzanlagen zur Türkei voranzutreiben. Auch die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll auf Ersuchen Sofias in den kommenden Wochen Bulgarien bei der Sicherung der Grenzen unterstützen. Die Agentur werde zusätzliches Personal, Fahrzeuge, Thermokameras und Wachhunde nach Bulgarien schicken, um den Menschenschmuggel aus der Türkei nach Serbien zu bekämpfen.

Bulgariens Ängste vor einer Flüchtlingswelle

"Sofia muss sich sehr laut zu Wort melden, um gehört zu werden", meint der Politikwissenschaftler Tihomir Bezlov und verweist auf die griechischen Erfahrungen. "Die EU zahlt doppelt und dreifach für alles, was Griechenland in Sachen Grenzsicherung unternimmt. Bislang sind wir in Bulgarien viel bescheidener", so der Politikwissenschaftler. Laut Bezlov ist der bulgarische Grenzschutz zwar viel besser geworden, trotzdem würden die Schlepper Dutzende von Flüchtlingen täglich nach Serbien schmuggeln können. Bis zu 200 illegale Migranten würden von den Grenzsoldaten täglich festgenommen und zurück in die Türkei abgeschoben, sagte kürzlich Premier Borissov. Am 24. August reist er nach Ankara, um mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu sprechen.

Infografik zum Grenzgebiet Bulgarien, Türkei, Griechenland (Infografik: DW)
Der Flüchtlingsdruck auf die bulgarisch-türkische Grenze wächst

"Die Grenzen zwischen Serbien und Kroatien sowie zwischen Serbien und Ungarn sind hermetisch geschlossen", erklärt Balkan-Experte Bisser Bantschev. Er ist sich sicher, dass die Flüchtlinge einfach weiterkommen wollen und deswegen über Bulgarien und Mazedonien den Weg nach Serbien suchen. Laut offiziellen Angaben haben die serbischen Grenzpatrouillen in den letzten 14 Tagen über 1500 illegale Grenzgänger aus Bulgarien und Mazedonien festgenommen.

Für Bulgarien wird es heikel werden, wenn Serbien auch die Grenze zwischen ihren beiden Ländern schließen würde, meint Bentschev. Dies sei bislang nur deswegen nicht geschehen, weil Belgrad auf bulgarische Unterstützung bei den EU-Beitritts-Verhandlungen zählt und Sofia nicht verärgern will, so der Experte. Serbien hat Armee- und Polizeieinheiten an der Grenze zu Bulgarien eingesetzt, um den Menschenschmuggel zu unterbinden. Zudem hat Serbiens Innenminister Nebojsa Stefanovic Bulgarien jüngst Hilfe bei der Sicherung der Grenze zur Türkei angeboten.

Serbische Patrouille an Grenze zu Bulgarien (Foto: picture-alliance/dpa/D. Savic)
Serbien verstärkt seine Patrouillen an der Grenze zu BulgarienBild: picture-alliance/dpa/D. Savic

Effektive Schmugglernetzwerke

Der Menschenschmuggel über Bulgarien nach Serbien sei sehr gut organisiert, sagt der ehemalige Leiter der Grenzpolizei, Valeri Grigorov, im Gespräch mit der DW. "Die Migranten und Flüchtlinge werden innerhalb von 72 Stunden von der türkischen zur serbischen Grenze gebracht. Die Schmuggler verfrachten sie mit Fahrzeugen zuerst nach Sofia, wo die Menschen für 20 Euro pro Kopf meistens in Roma-Häusern übernachten." In Sofia habe es mittlerweile gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen zwei Roma-Klans gegeben, die um dieses lukrative Geschäft kämpfen, so Grigorov. Er fordert auch gemeinsame griechisch-bulgarische Grenzpatrouillen, "um das sehr schwierige Terrain wirklich effizient kontrollieren zu können".

Ein großes Problem sieht er dabei in der Korruption innerhalb der Polizei: "Es besteht so zu sagen eine 'Geschäftspartnerschaft' zwischen den Schmugglern und den Grenz- und Inlandspolizisten, die von den Verantwortlichen geduldet wird", so Grigorov.

Sollten diese Netzwerke nicht zerschlagen werden, wird der Kampf gegen die Schmuggler keinen Erfolg haben - und auch Rezovo könnte dann zu einer Durchgangsstation für Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa werden.