Bundestag gedenkt der Holocaust-Opfer
27. Januar 2012Er spreche als Zeitzeuge und nicht als Historiker, betonte Marcel Reich-Ranicki vor dem Parlament in Berlin. Bei der Holocaust-Gedenkstunde schilderte er, wie er vor fast 70 Jahren die Deportationen aus dem Warschauer Ghetto erlebt hat. "Was die Umsiedlung der Juden genannt wurde, war bloß eine Aussiedlung - die Aussiedlung aus Warschau. Sie hatte nur ein Ziel, sie hatte nur einen Zweck: den Tod."
Der 91-jährige Sohn jüdischer Eltern ist einer der letzten noch lebenden Gefangenen des Warschauer Ghettos. Sein Bruder und seine Eltern wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Gemeinsam mit seiner Frau Teofila gelang ihm 1943 die Flucht aus dem Ghetto.
Lammert fordert Engagement gegen Antisemitismus
Bundestagspräsident Norbert Lammert rief in der Gedenkstunde die deutsche Gesellschaft dazu auf, sich gegen rechtsextremistische Tendenzen zur Wehr zu setzen. Es müsse "Ziel und Verpflichtung" aller sein, sich dafür einzusetzen, dass die Menschen in der Bundesrepublik "frei, gleich und ohne Angst leben dürfen", sagte der CDU-Politiker. Er zitierte aus einer vor kurzem veröffentlichten Studie, dass 20 Prozent der Bürger antisemitisches Gedankengut aufwiesen. Das seien genau 20 Prozent zuviel, so Lammert.
Neonazi-Untersuchungsausschuss nimmt Arbeit auf
Der am Donnerstag beschlossene Bundestagsuntersuchungsausschuss zur Mordserie der Thüringer-Neonazi-Zelle kam in Berlin zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Das Gremium soll klären, warum die rechtsextreme Gruppe jahrelang morden und rauben konnte, ohne in das Visier der Sicherheitsbehörden zu geraten. Den drei Mitgliedern der Neonazi-Gruppe werden Morde an neun Migranten und einer Polizistin sowie Bombenanschläge und Banküberfalle zur Last gelegt. Der Untersuchungsausschuss soll auch klären, welche Konsequenzen sich für die Sicherheitsbehörden aus den Ermittlungspannen ergeben.
Die Konstituierung des Untersuchungsausschusses am Jahrestag der Auschwitz-Befreiung unterstreicht nach Ansicht der Grünen dessen Bedeutung. "Es ist ein Datum, das einen Auftrag mit sich bringt, alles, wirklich alles aufzuklären", sagte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth.
Der langjährige Direktor der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, Kazimierz Smolen, ist an diesem Freitag im Alter von 91 Jahren gestorben. Von 1955 bis 1990 leitete er die Gedenkstätte. Von 1940 bis 1945 war Smolen als polnischer Widerstandskämpfer in dem Lager inhaftiert.
qu/wl (dpa,dapd,epd,afp)