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Was macht die 4. Welle mit den Schulen?

Kay-Alexander Scholz
21. November 2021

Die höchsten Inzidenzen in Deutschland gibt es bei Kindern und Jugendlichen. Die Schulen sollen trotzdem offen bleiben. Das funktioniert nicht mehr überall.

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Kinder beim Unterricht
Bild: DW

Die Datenlage ist in diesem Punkt deutlich. Seit Wochen schon sind Kinder und Jugendliche in Deutschland besonders häufig von einer COVID-19-Infektion betroffen. Die Zahlen des Robert-Koch-Instituts, der nationalen Gesundheitsbehörde in Deutschland, weisen die gegenwärtig höchste Sieben-Tage-Inzidenz in der Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen aus. Dahinter folgen die Altersgruppen der 5- bis 9-Jährigen und der 15- bis 19-Jährigen.

Infografik COVID-19 Inzidenzen nach Alter DE

Praktisch heißt das: Es ist vor allem die Schülerschaft, die derzeit von entdeckten Infektionen betroffen ist. Das Robert-Koch-Institut gibt in seinem aktuellen Wochen-Lagebericht 856 Ausbrüche an Schulen in den vergangenen vier Wochen an. Die Zahlen seien "höher als in allen vorausgegangenen Wellen der Pandemie". Gründe seien vermutlich die leichtere Übertragbarkeit der Delta-Variante und die ausgeweiteten Testungen.

Ein anderer Grund ist: Viele dürfen sich - noch - nicht impfen lassen. Erst für Kinder ab zwölf Jahren ist das in Deutschland erlaubt. Das könnte sich zum Jahreswechsel ändern. Ein sicheres Datum aber gibt es noch nicht. Die Diskussionen laufen noch.

Ziel der Politik: Kein neuer Schul-Lockdown

Doch wie zuvor Schulen als Schutzmaßnahme pauschal zu schließen, das möchte die Politik jetzt vermeiden. Zu negativ seien die psychosozialen Folgen pauschaler Schließungen gewesen, ergaben zahlreiche Studien. Zuletzt wurde dies bei einer Diskussion beim Bundespräsidenten betont. Man habe lange Zeit in der Pandemie die Pädagogik vielleicht zu sehr hintenangestellt, zu wenig die Konsequenzen beachtet, wenn die Schule als Lern- und sozialer Ort wegfällt.

Mädchen mit Laptop vor einer Couch im Home-Schooling
Home-Schooling habe für viele nicht gut funktioniert, sagen ExpertenBild: picture alliance / photothek

Gerade hat der Bundestag neue Corona-Regelungen auf den Weg gebracht. Umfassende Schulschließungen sind laut Gesetz dann nicht mehr erlaubt. Von nun an werde jede neue Gesetzesvorlage in der Corona-Politik daraufhin abgeklopft, wie es den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen nach offenen Schulen Rechnung trage, versprach Katrin Göring-Eckardt von den Grünen in der Debatte dazu im Bundestag.

Einige Schulen sind trotzdem geschlossen

Doch Corona beeinträchtigt den Schulalltag trotzdem. Zum Beispiel im Bundesland Sachsen mit seinen rund vier Millionen Einwohnern. Sachsen ist derzeit der bundesweite Hotspot der vierten Welle - Inzidenz bei mehr als 800 (Stand 21.11.2021). Kommt es zu Infektionen in Klassen, müssen Quarantänen verhängt werden. Manchmal aber reicht das nicht.Aktuell gibt das sächsische Bildungsministerium 129 Schulen an, für die temporäre Einschränkungen durch das Ministerium verhängt wurden. Betroffen sind entweder bestimmte Klassen, Jahrgänge oder ganze Schulen. Für sie fällt Unterricht und Schule wieder aus.

Bundesweite Zahlen über Schulschließungen gibt es nicht - aber andere Kennziffern. Als infiziert registriert sind 45.500 Kinder und Jugendliche an Schulen, meldet aktuell die Kultusministerkonferenz, 87.000 von zehn Millionen sind in Quarantäne. In der Vorwoche waren es 23.000 Corona- und 54.000 Quarantäne-Fälle.

"Es gibt ein Recht auf eine sichere Schule"

Jana Schroeder ist Chefärztin des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der Stiftung Mathias-Spital. Die Stiftung betreibt Krankenhäuser, Arztzentren und Pflege-Einrichtungen. Schroeder befasst sich aktuell vor allem auch mit den Auswirkungen der Pandemie auf Kinder. "Ungeimpfte Schüler haben das Recht auf eine sichere Schule: Infektionsschutz und Bildung schließen sich nicht aus und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden", sagt Schroeder der DW.

Portrait: Virologin Jana Schroeder
Die Folgen für die Kinder sind noch unklar, sagt die Virologin Jana SchroederBild: Privat

Da es eine Schulpflicht gebe, müsse der Staat das Grundrecht auf Bildung und auf körperliche Unversehrtheit des Einzelnen sicherstellen. Der Schlüssel liege darin, die Inzidenzen an den Schulen niedrig zu halten. "Lockdowns und Schulschließungen passieren, wenn die Regierung Maßnahmen verzögert, bis es zu spät ist", kritisiert Schroeder. "Die beste Schul-Schließungsprophylaxe ist Infektionsprophylaxe - und Infektionsschutz ist auch Kinderschutz."

Kommune: "Das ist jede Menge Arbeit"

Die 100.000-Einwohner-Stadt Cottbus liegt in Südbrandenburg - einem anderen Corona-Hotspot, aktuelle Inzidenz: über 400. So krass wie im Nachbarland Sachsen ist die Situation hier noch nicht. "Zum Glück musste noch keine Schule ganz geschlossen werden", sagt Stadtsprecher Jan Gloßmann der DW. Zwar seien aktuell rund 30 Schulen, Kitas oder Horte betroffen. "Aber immer nur Einzelfälle", ergänzt er erleichtert. "Wir kennen den Wunsch der übergroßen Mehrheit der Eltern und Schüler, dass das gemeinsame Lernen, das soziale Treffen aufrechterhalten sein soll." Ausschließen aber lasse sich nichts, so Gloßmann.

Jan Gloßmann, Pressesprecher Stadtverwaltung Cottbus
Kontaktnachverfolgung ist eine große Herausforderung für eine Kommune, sagt Stadtsprecher Jan GloßmannBild: DW/V. Esipov

Doch das Offenhalten der Schulen bedeutet für die Kommunen jede Menge Arbeit. "Täglich kriegen wir die Testergebnisse auf den Tisch, müssen die Schulen kontaktieren, die Schulen kontaktieren uns, um Angaben zu machen."

Gloßmann freut sich über zehn Bundeswehr-Soldaten, die nun die Kontaktnachverfolgung unterstützen. Ohne externe Hilfe sei das nicht mehr zu schaffen. Zwar sei alles eingeübt, aber der Aufwand immens. "Wer hat wann und wo mit wem Kontakt gehabt? Wer ist wie erreichbar? Wer ist gerade wo, und wie erreicht den die Information, jetzt erstmal zuhause zu bleiben oder in Quarantäne zu gehen? Wie ist das dann organisiert? Sind die Kinder versorgt? Sind die Eltern informiert, und so weiter."

Wie gefährlich ist COVID-19 für Kinder?

Aktuell geschehe in den Schulen eben auch eine "Durchinfizierung", sagt Schroeder. Ethisch aber sei das nicht vertretbar. Rund ein Prozent der Kinder müsse wegen Corona ins Krankenhaus. Auch sei noch unklar, welche Spätfolgen Infektionen haben könnten. Eine Studie der TU-Dresden hat ergeben, dass auch Kinder stärker an COVID-Langzeitfolgen leiden als bisher angenommen. In allen Lebensbereichen gelte: "Better safe than sorry", sagt Schroeder, "außer bei Kindern in der Pandemie".