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Ist der Atomausstieg zu schaffen?

6. Juni 2011

Die Bundesregierung hat den Atomausstieg besiegelt. 2022 soll der letzte Atommeiler in Deutschland vom Netz. Ist das zu schaffen? Schließlich ist das Land dem Klimaschutz und der Versorgungssicherheit verpflichtet.

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Ein Passant betrachtet am ein großes Transparent, auf dem unter dem Schriftzug "Abschalten" AKW-Symbole durchgestrichen sind. (Foto: dpa)
Die Bevölkerung ist in der Mehrheit für den Ausstieg - doch weiß sie, was das bedeutet?Bild: picture-alliance / dpa

Notwendige Übergangstechnologie, kostengünstige Brücke ins Zeitalter der erneuerbaren Energien - diese Schlagworte fielen stets, wenn es darum ging, die verlängerten Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke zu rechtfertigen. Strom wird in Deutschland aus ganz unterschiedlichen Energieträgern gewonnen. Knapp ein Viertel stammt aus Atomkraftwerken, die erneuerbaren Energien bringen es inzwischen auf rund 17 Prozent.

Erneuerbare Energien - "die günstigste ökonomische Strategie"

Mehr als die Hälfte der elektrischen Energie stammt aktuell jedoch aus Kohle und Gas. Wegen der Klimaschutzziele könne ihre Produktion allerdings nicht erhöht werden, sagt Stefan Kohler, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Energieagentur dena: "Die Bundesregierung hat beschlossen und auch international erklärt, 40 Prozent des CO2-Ausstoßes einzusparen. Das müssen wir in der ganzen Diskussion mit berücksichtigen." In Kohlers Augen geht es bei der Energiewende nicht nur um den Ausstieg aus der Atomenergie, sondern viel mehr um die Frage, "wie wir unser Energiesystem insgesamt optimieren können". Es geht also nicht nur um Erzeugung, sondern auch um Nachfrage, Energiespeicher und Energienetze.

Rauch und Dampf steigt aus den Kühltürmen und Schornsteinen des RWE-Braunkohlekraftwerks Niederaußem bei Bergheim. (Foto: dpa)
Mehr Kohlekraftwerke sind keine Alternative zum AtomausstiegBild: picture alliance/dpa

Zum Thema Erzeugung hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen im vergangenen Jahr ein Sondergutachten vorgelegt. Vor dem Hintergrund der CO2-Einsparungen stellt der Ratsvorsitzende Martin Faulstich fest, dass eine nachhaltige Stromversorgung durch einhundert Prozent erneuerbare Energien machbar sei - bis 2050. In Faulstichs Augen ist es "langfristig sogar die günstigste ökonomische Strategie." Strom allein aus Wind- und Wasserkraft, aus Sonnenenergie, Biomasse und Erdwärme? Ja, das sei möglich, sagt Faulstich, der mit seinem Gremium die Bundesregierung berät.

2030 könnte der Umstieg geschafft sein

Luftaufnahme eines Offshore-Windparks in Dänermark (Foto: European Union)
Viele Bürger wehren sich gegen Windanlagen in ihrer Nähe - Offshore-Parks sind eine AlternativeBild: European Union

Sein Kollege Olav Hohmeyer, Professor für Energie- und Ressourcenwirtschaft und ebenfalls Mitglied des Gremiums, geht sogar noch einen Schritt weiter und glaubt, dass die Wende schon vor 2050 geschafft sein könnte. Die Jahreszahl ergebe sich nur, weil die Wissenschaftler in ihren Berechnungen davon ausgegangen seien, dass die neuen konventionellen Kraftwerke 35 Jahre am Netz blieben. "Wenn man das zurücknimmt, dann kann man durchaus auch bis 2030 schon regenerativ versorgen", sagt Hohmeyer.

Allerdings, so kritisieren Wissenschaftler, hätten die Politiker versäumt zu überlegen, wie eine kostengünstige alternative Stromversorgung genau aussehen soll. Mit der Verlängerung der Laufzeiten im Jahr 2010 seien zudem falsche Signale ausgesendet worden. Angesichts der Möglichkeit, mit existierenden Atomkraftwerken Milliarden verdienen zu können, hätte die Bereitschaft der großen Energieerzeuger, in teure alternative Energien zu investieren, rapide nachgelassen. Jetzt müssen sie ihre ursprünglichen Pläne, Windräder mit einer Leistung von rund zehn Gigawatt vor den Küsten Deutschlands zu installieren, umso schneller wieder aus der Schublade holen. Denn alleine mit dieser Leistung können acht große Atomkraftwerke ersetzt werden.

Notwendig ist eine entsprechende Netzinfrastruktur

Arbeiter führen im Auftrag des Energiekonzerns RWE AG Ausbesserungsarbeiten an einer Überlandleitung durch. (Foto: dpa)
Der Atom-Ausstieg bedeutet auch - mehr Investitionen ins StromnetzBild: picture-alliance/ dpa

Allerdings, so gibt dena-Chef Stefan Kohler zu bedenken, wolle die Bundesregierung den Strom aus Windkraft vorwiegend auf dem Meer gewinnen - also ausgerechnet dort, wo der Strom nicht nachgefragt wird. "Bisher haben wir die Kraftwerke dort gebaut, wo Strom verbraucht wurde", sagt Kohler, "jetzt ändert sich das, und dafür brauchen wir eine entsprechende Netzinfrastruktur."

Schon jetzt wird in Norddeutschland an manchen Tagen mehr Windenergie erzeugt, als die bestehenden Stromnetze bewältigen können. Laut der dena-Netzstudie müssen 3.700 Kilometer neue Trassen gebaut werden, um den Strom auch in die süddeutschen Ballungszentren leiten zu können. Da der Wind unbeständig weht, müssen zudem Stromspeicher gebaut werden. Das können beispielsweise Pumpspeicherkraftwerke sein, in denen bei hohem Stromangebot Wasser in höhere Lagen gepumpt wird, um es bei sinkendem Angebot bergab fließen zu lassen und dabei mittels Turbinen und Generatoren wieder elektrischen Strom zu erzeugen. Alternativ kann mit dem Strom Wasserstoff erzeugt und dadurch gespeichert werden.

Alles das erfordert Milliardeninvestitionen. Wie schnell der Ausstieg aus der Kernkraft tatsächlich erfolgen kann, wird davon abhängen, wie schnell diese Investitionen getätigt werden.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Jutta Wasserrab