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Urteil im Bonner Bauskandal

Friederike Wintgens13. Mai 2013

Die frühere Hauptstadt Bonn wollte sich als UN-Standort profilieren. Doch beim Bau eines Kongresszentrums saß sie einem windigen Investor auf. Der muss jetzt in den Knast, die Stadt kommt für den Millionenschaden auf.

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Journalisten bei einer Pressebesichtigung im halbfertigen WCCB, World Conference Center in Bonn am 26.11.2012. (Foto: picture alliance/dpa) / Eingestellt von wa
WCCB / Bonn / World Conference Center / BaustelleBild: picture-alliance/dpa

Mit gesenktem Kopf nimmt Man-Ki Kim das Urteil des Bonner Landgerichts entgegen. Der Investor aus Südkorea, einst von der Stadt Bonn als Retter in der Not gepriesen, muss ins Gefängnis. Sechseinhalb Jahre Haft. Das vorläufige Ende einer Geschichte, die wie ein schlechter Kriminalfilm wirkt. Die handelnden Personen: die Bürgermeisterin einer Stadt, die von der großen weiten Welt träumt, ein Trupp überforderter Verwaltungsbeamter, ein gutgläubiger Sparkassendirektor - und "Dr. Kim".

Die Geschichte beginnt 1998. Damals verlor Bonn den Status der Hauptstadt Deutschlands. Die Bundesregierung, die hier während der deutschen Teilung ihren Sitz hatte, zog nach Berlin. Die Stadt Bonn mit ihren gerade mal 300.000 Einwohnern suchte nach neuen Möglichkeiten, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Sie bewarb sich als deutscher Standort für die Vereinten Nationen. Die stellten eine Bedingung: Ein neues Kongresszentrum für rund 130 Millionen Euro musste her, die alten Gebäude des Bundestags waren nicht groß genug. Doch es fand sich kein Investor für das "World Conference Center".

Die Baustelle des World Conference Center am Freitag (07.08.2009) in Bonn. Der Bau des Bonner Konferenzzentrums im früheren Regierungsviertel droht zu einer unendlichen und ärgerlichen Geschichte zu werden: Der Großbau wird nicht nur viel teurer als geplant, auch die Finanzierung hängt in der Schwebe. Nach einer vorläufigen Entscheidung des Bonner Landgerichts vom Mittwoch (05.07.2009) gibt es in der Eigentümerfrage weiter Unklarheit. Damit sind auch weitere Mittel zur Schließung von Finanzlücken blockiert. Foto: Oliver Berg dpa/lnw +++(c) dpa - Report+++
Millionengrab Baustelle: Das "World Conference Center" im früheren Bonner RegierungsviertelBild: picture-alliance/dpa

Ein fragwürdiger "Glücksfall"

Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) wollte schon entnervt aufgeben, als sich auf einmal eine Firma mit verheißungsvollem Namen aus Südkorea anbot - Dr. Man-Ki Kim mit seiner Firma "SMI Hyundai", die, wie Kim versicherte, bereits im Irak lukrative Bauprojekte betrieb. Dieckmann schwärmte begeistert von einem einmaligen "Glücksfall" für die Stadt. Im Rathaus dachte man, der Mann sei ein Abgesandter des großen südkoreanischen Autokonzerns.

Stattdessen stand "SMI" jedoch für "Susi, Mimie und I. Kim" - benannt nach Familienangehörigen des schillernden Dr. Kim - "Hyundai" hatte er kurzerhand einfach hinten drangehängt, weil es gut klang. Ein Plan, der aufging, erzählt Touristenführer Norbert Volpert ungläubigen Besuchern beim Motto-Stadtrundgang "Dr. Kim auf der Flucht": "Man stelle sich vor, ein anderer deutscher Unternehmer tritt im Ausland mit dem Fantasienamen 'AEG Siemens' auf. Und er behauptet, er sei ein großer Konzern. Ihm wird geglaubt, und ihm werden Millionen, am Ende hunderte Millionen zur Verfügung gestellt."

Man-Ki Kim (Foto: dpa)
Während des Prozesses ergraut: Man-Ki Kim nimmt in Bonn das Urteil entgegenBild: picture-alliance/dpa

Verhängnisvolle Gutgläubigkeit

Ein Anruf in der Hyundai-Zentrale hätte wohl genügt, um den Betrug aufzuklären, doch das geschah nicht. Stattdessen unterschrieben die Projektbeauftragten in der Stadtverwaltung die Verträge und zerstreuten die Bedenken im Stadtrat. Es wurde vereinbart, dass Kim 40 Millionen Euro Eigenkapital für den Bau des "World Conference Center Bonn" einbringen sollte, den Rest wollte ihm die Sparkasse Bonn leihen, als Bürge sprang die Stadt ein. Doch die beiden mit Bauaufträgen völlig unerfahrenen Projektleiter und die Oberbürgermeisterin merkten anscheinend viel zu spät, dass Kim sie immer wieder hinhielt und nicht mal einen Bruchteil der 40 Millionen zusammenbekam. Anfang 2009 ging seine Firma Pleite. Da war gerade mal der Rohbau des Konferenzzentrums und des dazugehörigen Hotels fertig.

Kim setzte sich ab, wurde mit internationalem Haftbefehl gesucht, schließlich in den USA gefasst, in Bonn vor Gericht gestellt und nun wegen Betrugs verurteilt. "Eine Aussicht auf Erfolg, das Konferenzzentrum zu bauen, gab es nicht", so der Kommentar des Vorsitzenden Richters. Die Ermittlungen gegen Bärbel Dieckmann wurden eingestellt. Bei den Kommunalwahlen 2009 war sie wegen der Affäre nicht mehr zur Wahl angetreten, heute ist sie ehrenamtlich als Präsidentin der Welthungerhilfe tätig. Noch immer beschäftigt nicht nur die Teilnehmer der Stadtführungen von Norbert Volpert die Frage: Wer trägt die politische Verantwortung?

Ein halbfertiges Hotel im alten Regierungsviertel

Im Rathaus will man nicht gern an die Peinlichkeiten des eigenen Versagens erinnert werden. Dieckmanns Amtsnachfolger Jürgen Nimptsch (SPD) versäumt keine Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass die Stadt das halbfertige Kongresszentrum zurückgekauft hat und nun für weitere 51 Millionen Euro fertig bauen will. Im Juni 2014 soll hier bereits die Weltklimakonferenz stattfinden.

Hotel des World Conference Center (Foto: dpa)
Hotel ohne GästeBild: picture alliance/dpa

Stadtführer Norbert Volpert lächelt müde. Er hat schon zu oft von möglichen Daten für die Fertigstellung gehört. Er steht vor dem Bauzaun des halbfertigen "World Conference Center Bonn", dessen dunkel getönte Glasfassade seltsam abweisend wirkt. Daneben ragt zwischen den denkmalgeschützten Bauten des alten Bundestags und des Funkhauses der Deutschen Welle ein schmuckloser Betonklotz in die Höhe. "Das soll mal das Gästehaus werden, die Bonner schimpfen es jetzt schon 'sozialistisches Strandhotel'." Volpert wendet sich zum Gehen. Die Teilnehmer der nächsten Stadtführung "Dr. Kim auf der Flucht" warten schon vor der Baustelle. Auch wenn die Hauptperson am 10.05.2013 verurteilt worden ist - das Interesse an der haarsträubenden Betrugsgeschichte ist bei den Besuchern der ehemaligen Bundeshauptstadt ungebrochen.