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KonflikteNahost

Der neue Anführer der Hamas: Das ist Jihia al-Sinwar

7. August 2024

Knapp eine Woche nach dem Tod von Ismail Hanija hat die radikalislamische Hamas Jihia al-Sinwar zum neuen Leiter ihres politischen Büros ernannt. Was ist vom Drahtzieher des Terrorangriffs vom 7. Oktober zu erwarten?

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Jahja Sinwar hebt grüßend die Hand inmitten Begleitern
Jihia al-Sinwar im April 2023 - der Hamas-Funktionär hält sich seit Monaten verstecktBild: Yousef Masoud/SOPA Images via ZUMA Press/alliance

Vor rund einer Woche wurde der bisherige Hamas-Chef Ismail Hanija bei einem Attentat in Teheran getötet. Nun hat die radikalislamische Palästinensergruppe, die von Deutschland, der Europäischen Union, den USA und weiteren Ländern als Terrororganisation eingestuft wird, Jihia al-Sinwar zum Nachfolger ernannt.

Israels Außenminister Israel Katz nannte seine Ernennung "einen weiteren zwingenden Grund, ihn schnell zu eliminieren". Schon zuvor stand Sinwar weit oben auf der Abschussliste der Regierung in Jerusalem.

Wer ist Jihia al-Sinwar?

Sinwar war seit 2017 der Anführer der Hamas im Gazastreifen. Dort lebt er derzeit an einem unbekannten Ort  - es wird vermutet, dass er sich in den Tunneln der Organisation unter dem Küstengebiet versteckt hält.

Wie die Hamas am Dienstag erklärt hat, soll Sinwar nun zum "Leiter des Politbüros" werden. Sein Vorgänger Hanija residierte in dieser Position in Katars Hauptstadt Doha und galt als Chefdiplomat der Hamas.

Sinwar gilt als Drahtzieher des brutalen Angriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Dabei wurden im Süden des Landes rund 1200 Menschen getötet und über 250 weitere als Geiseln verschleppt.

Als Reaktion geht Israel seither massiv militärisch gegen Ziele im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei bislang mehr als 39.650 Menschen getötet.

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Seine Rolle bei dem Terrorangriff hat Sinwar - auch schon vor der jetzigen Ernennung zum Leiter des Politbüros - zu einem der meistgesuchten Funktionäre der Organisation gemacht. Er ist seit dem 7. Oktober nicht mehr öffentlich aufgetreten.

Unter den Palästinensern selbst sei er sehr populär, gelte gewissermaßen als "Speerspitze des bewaffneten Widerstands" gegen Israel, erklärt der israelische Sicherheitsexperte Kobi Michael vom "Institute for National Security Studies" an der Tel Aviv University.

Sinwar gehört zur Gründergeneration der Hamas

Er wurde 1962 im Flüchtlingslager von Chan Junis im Süden des Gazastreifens geboren. Seine Familie stammt aus der Gegend der Küstenstadt Aschkelon, heute auf israelischem Staatsgebiet. 

Als sich die Hamas während des ersten Palästinenseraufstands, der Intifada, Ende der 1980er Jahre im Kampf gegen die israelische Besatzung formierte, war Sinwar auch am Aufbau des militärischen Hamas-Arms, der Kassam-Brigaden, beteiligt. In den Anfangsjahren der islamistischen Bewegung war er für den Kampf gegen mutmaßliche Kollaborateure mit Israel in den eigenen Reihen zuständig. Dabei ging der damals junge Sinwar so brutal vor, dass er als "Schlächter von Chan Junis" bekannt wurde.

Wegen der Tötung zweier israelischer Soldaten wurde er viermal zu lebenslanger Haft verurteilt. Insgesamt saß Sinwar 23 Jahre in Israel im Gefängnis, in dieser Zeit soll er fließend Hebräisch gelernt haben. 2011 kam er im Rahmen eines Gefangenenaustauschs frei.

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Was ist von Sinwar als Hamas-Führer zu erwarten?

Es ist bekannt, dass Sinwar eine einheitliche Führung in allen Palästinensergebieten erreichen will, also auch im besetzten Westjordanland, das von der mit der Hamas rivalisierenden Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas regiert wird.

In seiner neuen Position ist der 61-Jährige auch der Hauptentscheider, wenn es um den Austausch von Geiseln oder um Feuerpausen geht. Experten zufolge könnte er einem Abkommen über eine Waffenruhe im Gazastreifen allerdings abweisender gegenüberstehen als sein Vorgänger Hanija. 

In diese Richtung scheint auch die Mitteilung der Hamas selbst zur Entscheidung für Sinwar zu gehen: Sie sende eine "starke Botschaft" an Israel, dass die Hamas "ihren Weg des Widerstands weitergeht". 

Experte Michael sieht in der Personalie Sinwar, der als extremer als Hanija gelte, ebenfalls eine Machtdemonstration. Andererseits könne Sinwars Ernennung auch neue Chancen für ein Geiselabkommen oder gar einen Waffenstillstand bieten.

"Sinwar kann die Hamas nicht von dem Tunnel in Gaza aus führen, in dem er sich versteckt. Als politischer Führer muss er von außerhalb des Gazastreifens agieren." Um aus dem Gazastreifen herauszukommen, könne er sich also zu Kompromissen bereiterklären.

DW Fact Checking-Team | Ines Eisele
Ines Eisele Faktencheckerin, Redakteurin und AutorinInesEis