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Deutsche Bücher für Amerika

Jochen Kürten21. Dezember 2014

Romane und Erzählungen deutschsprachiger Autoren haben es schwer im englischen Sprachraum. Jährlich schaffen es nur wenige Titel auf die Büchertische in New York oder San Francisco. Eine Auswahl.

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Student Mann Bibliothek
Bild: Fotolia/anyaberkut

In deutschen Buchhandlungen gibt es so gut wie alle Romane der amerikanischen Schriftsteller Jonathan Franzen oder Joyce Carol Oates zu kaufen. Sie werden nach ihrem Erscheinen in den USA rasch ins Deutsche übersetzt. Und sie erfreuen sich einer großen Leserschaft. Umgekehrt ist es schwieriger. Deutsche Romane werden meist mit einer größeren zeitlichen Verzögerung und nicht in vergleichbarer Anzahl ins Englische übersetzt. Ein Blick auf die deutschsprachigen Erzählerinnen und Erzähler, die in den vergangenen zwölf Monaten übersetzt wurden, macht mehrere Trends deutlich: Englischsprachige Leser werden gut mit Übersetzungen deutscher Klassiker versorgt. So erschienen im vergangenen Jahr Bücher von Novalis, Georg Büchner, Rainer Maria Rilke, Joseph Roth, Franz Kafka oder Hans Fallada. Besonders gerne würden Autoren der 30er Jahren verlegt, sagt Riky Stock vom German Book Office (GBO) in New York. Aber auch Autoren neueren Datums wie Jurek Becker oder W.G. Sebald sind in englischer Fassung zu finden.

Interesse an Fahrstühlen…

Im Bereich Kinderbuch ist nach den Beobachtungen von Riky Stock in den letzten drei Jahren ein Aufschwung zu registrieren. Historische Abhandlungen (z.B. Jürgen Osterhamels "Die Verwandlung der Welt") und Erinnerungen (wie die von Joachim Fest) sowie Bücher zum Thema Film und Kino befinden sich ebenfalls auf der Liste von GBO, ebenso Biografien über Musiker wie Franz Liszt oder Dichter wie Heinrich von Kleist. Aber auch so mancher Sachbuchtitel hat in den vergangenen zwölf Monaten den Weg in die USA gefunden. Dass "Die Geschichte des Fahrstuhls" auf Interesse stößt, sei nicht unbedingt zu erwarten gewesen, sagt Stock. Eher schon die Übersetzung des "Weinatlas Deutschland".

Das Cover von Er ist wieder da von Timur Vermes (Luebbe Verlag)
Timur Vermes Erfolgstitel

Was zeigt der Blick auf die Belletristik? Hier bemühten sich laut Stock vor allem kleine Verlage um deutsche Titel. Krimis verkaufen sich ebenfalls gut, Autoren mit Migrationshintergrund sind überproportional vertreten. Eine Auswahl:

Dass Timur Vermes' Überraschungserfolg "Er ist wieder da" aus dem Jahr 2012 so schnell übersetzt wurde, dürfte am großen Interesse der Amerikaner und Briten an Nazi-Deutschland liegen. In der Romangroteske taucht Adolf Hitler im Jahr 2011 wieder auf und macht Karriere beim Fernsehen. Ob Hollywood schon Interesse an "Look who's back" angemeldet hat?

Die Überesetzung von Uwe Tellkamps "Der Turm" hat ein wenig länger gebraucht, immerhin waren 1000 Seiten zu bewältigen. Der Roman, der in Deutschland vor sechs Jahren erschien und mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, wird auch vom US-Leser Geduld erfordern. Doch dafür erwarten ihn tiefe Einblicke in das Leben bürgerlicher Schichten im realen Sozialismus der DDR.

Deutschland Schriftsteller Wolfgang Herrndorf (Foto: Sven Simon)
Früh verstorbener Kultautor Wolfgang HerrndorfBild: imago/Sven Simon

Ein absolutes Kultbuch in Deutschland war und ist der Kurzroman "Tschick" des 2013 verstorbenen Wolfgang Herrndorf. Er heißt in den USA "Why we took the car" und dürfte dem englischsprachigen Publikum gefallen. Schließlich ist Herrndorfs schnoddrig erzählte und unterhaltsam daherkommende Jugendgeschichte doch von Autoren wie J.D. Salinger und seinem Roman "Der Fänger im Roggen" inspiriert.

Auch ein Comic, der sich allerdings eher an ein erwachsenes Publikum richtet, kam 2014 in die amerikanischen Buchläden: Reinhard Kleists "Der Boxer". Die englischsprachigen Leser dürfte die wahre Geschichte des Faustkämpfers Hertzko Haft, der im Konzentrationslager zum Boxen gezwungen wurde, um zu überleben, interessieren. Schon Kleists US-Kollege Art Spiegelman hatte mit seinem berühmten Maus-Comic das Thema Holocaust und Konzentrationslager erfolgreich in das Medium Comic transportiert.

Tief in die Kulturgeschichte des "alten Europa" kann der amerikanische Leser eintauchen, wenn er die englische Übersetzung von Marjana Gaponenko "Wer ist Martha?" in die Hand nimmt. Das Buch, bei uns vor zwei Jahren erschienen, handelt von zwei hundertjährigen Protagonisten, die auf das 20. Jahrhundert zurückblicken. Die in Odessa geborene, inzwischen in Deutschland lebende und auf Deutsch schreibende Autorin ist eine von vielen Schriftstellerinnen mit Migrationshintergrund, die sich hierzulande einen festen Platz im literarischen Leben erobert haben.

Buchcover Du von Zoran Drvenkar (Foto Ullstein Verlag)
Bild: Ullstein Hc

Ein weiterer Autor ist der gebürtige Kroate Zoran Drvenkar, dessen Kriminalroman "Du" vor zwei Jahren in Deutschland und jetzt in den USA erschien. Auf die Frage, warum er sein Publikum in seinen Thrillern gerne mit "Du" anspricht, hat Drvenkar einmal geantwortet, er wolle seinen Leserinnen und Lesern "in den Nacken atmen". Das sollte wohl heißen, in einen vor Spannung geladenen Schock-Zustand versetzen. Das müsste den Amerikanern gefallen.

Weniger spannungsgeladen, dafür umso poetischer, geht es in Olga Grjasnowas Buch "Der Russe ist einer, der Birken liebt" zu. Grjasnowa, in Baku, Aserbajdschan, geboren, schrieb sich vor zwei Jahren mit ihrer Hauptfigur Mascha in die Herzen der deutschen Leser. Die Jüdin Mascha kommt ohne Deutschkenntnisse in das Land und macht ihre ganz speziellen Erfahrungen. Dass solche Romane in den USA gut ankommen, liegt vielleicht auch daran, dass die Nation immer noch Einwanderungsland Nummer eins ist.

Mit der Österreicherin Maja Haderlap lernen die amerikanischen Leser jetzt auch eine Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin kennen. Sie schreibt dabei nicht nur in deutscher Sprache, sondern auch auf Slowenisch, da ihre Familie zur slowenischen Minderheit in Österreich gehört. Den Ingeborg-Bachmann-Preis erhielt sie für ihren Roman "Engel der Vergessenen" im Jahr 2011. Auch der ist jetzt in den USA erschienen.

Um gleich zwei Romane des hessischen Autors Andreas Maier bemühten sich englische Übersetzer ebenfalls. "Das Haus" und "Das Zimmer" kamen 2014 in den USA heraus, und ein dritter Roman des Schriftstellers, "Die Straße", ist für Sommer 2015 angekündigt. Eine solche Erfolgsgeschichte kann kaum ein anderer deutscher Autor aufweisen. Man darf gespannt sein, wie das amerikanische Publikum auf die Erlebnisse der literarischen Helden Maiers in Frankfurt und Umgebung reagieren.

Schriftsteller Daniel Kehlmann (Foto: Jan Woitas dpa/lsn)
Daniel KehlmannBild: picture-alliance/dpa

Schließlich schaffte es mit Daniel Kehlmann auch einer der deutschsprachigen Starautoren auf die Übersetzungslisten der US-Verlage. Kehlmanns Roman "F" erschien in Deutschland im vergangenen Jahr und liegt schon in englischer Sprache vor. Seit seinem Welterfolg "Die Vermessung der Welt" ist der Österreicher einer der großen Erfolgsgaranten des deutschen Buchhandels. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten dürfte das auf ein starkes Interesse stoßen. Schließlich wollen die Amerikaner nicht nur gute Bücher lesen, sie wollen auch ein paar Dollars damit verdienen.

Die 10 hier aufgelisteten Titel erschienen alle in den letzten 12 Monaten in den USA. Insgesamt sind 80 Bücher aus diesem Zeitraum auf der Liste von German Book Office New York vertreten, außer Prosa, vor allem Sach- und Kinderbücher.