1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die halbe Miete zum Erfolg?

18. August 2020

Drei von vier Champions-League-Halbfinalisten werden von deutschen Trainern betreut. Und der DFB singt ein Loblied auf seine Trainerausbildung. Zu Recht? Ex-Profi Jens Langeneke hat sie gerade hinter sich gebracht.

https://p.dw.com/p/3h7YW
Fußball Fortuna Düsseldorf II - Rot-Weiß Oberhausen Jens Langeneke
Jens Langeneke darf sich seit Anfang August DFB-Fußballlehrer nennenBild: picture-alliance/dpa/Revierfoto

"Die Trainerausbildung ist gut und sehr gewissenhaft. Und wenn das Ergebnis ist, dass drei der vier Champions-League-Halbfinalisten von deutschen Trainern betreut werden, ist es doch eine sehr erfreuliche Sache", sagt Jens Langeneke. Der Ex-Profi von Fortuna Düsseldorf hat Anfang August den Lehrgang des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef nahe Bonn  abgeschlossen - ebenso wie die Ex-Nationalspieler Tim Borowski und Christian Rahn, der neue Leipziger Co-Trainer Dino Toppmöller oder auch Imke Wübbenhorst, die einzige Frau im Kreis der 24 erfolgreichen Absolventen.

"Ich glaube, dass Thomas Tuchel und Julian Nagelsmann außergewöhnlich talentierte Trainer sind, die auch eine sehr gute Ausbildung genossen haben", sagt Langeneke über die Coaches der Halbfinalisten Paris St. Germain und RB Leipzig. Und der Coach der Bayern? "Hansi Flick trainiert momentan den weltbesten Verein. Ohne Flick zu nahetreten zu wollen: Er macht das wirklich überragend, aber Bayern München in der jetzigen Verfassung könnte auch jemand anderer trainieren", sagt der 43-Jährige und lacht.

DFB-Chef Keller: "Das ist natürlich was"

Der DFB sonnt sich aktuell im Champions-League-Sommer mit stark deutschem Akzent. DFB-Direktor Oliver Bierhoff sprach von einem "wunderbaren, erfolgreichen Moment für den deutschen Fußball". Und auch DFB-Präsident Fritz Keller stimmte ein: "Wir haben drei Trainer im Halbfinale der Champions League, die ihre Fußballlehrer-Ausbildung in Deutschland gemacht haben, das ist natürlich was." Allerdings liegen die Tage von Flick und Tuchel an der DFB-Trainerakademie schon lange zurück. Bayern-Trainer Flick - der 2014 als Co-Trainer neben Bundestrainer Joachim Löw mit Deutschland Weltmeister wurde - machte seinen Trainerschein im Jahr 2003, Paris-Coach Tuchel 2006. Lediglich bei Leipzig-Trainer Nagelsmann, der 2014 den Lehrgang mit der Note 1,0 abschloss, dürfte die Erinnerung an die Ausbildung noch halbwegs präsent sein.

Individuell und praxisbezogen

Doch der Lehrgang hat sich seitdem verändert. Jens Langeneke und Co., die Teilnehmer des 66. Jahrgangs an der DFB-Akademie, waren die ersten, die das reformierte Ausbildungsprogramm durchliefen. Der Lehrgang dauert nun elf statt neun Monate und soll laut DFB "ortsunabhängiger, praxisbezogener und individueller" sein.

Aus seiner Sicht sei die Reform "sehr gut gelungen", findet Langeneke. "Ich hatte ja parallel eine Mannschaft, die U17 von Fortuna Düsseldorf. Ziel war es, die vermittelten Inhalte zeit- und praxisnah umzusetzen. Das hat sehr gut funktioniert." So habe er Trainingseinheiten mit seiner Mannschaft aufgezeichnet und sie anschließend online gestellt. Die Ausbilder und Kollegen hätten ihm dann Feedback gegeben. 

Scholls Kritik

Vor drei Jahren hatte der frühere Nationalspieler Mehmet Scholl mit seiner harschen Kritik an der DFB-Trainerausbildung für Aufsehen gesorgt. Scholl hatte den Lehrgang als "Gehirnwäsche" bezeichnet, die zur Folge hätte, dass unter den beim DFB ausgebildeten Trainern nur "weichgespülte" Profis eine Chance erhielten. Auch wenn Scholl es etwas überspitzt formuliert habe, ganz falsch habe er mit seiner Kritik nicht gelegen, meint Langeneke. "Ich sehe das auch am Nachwuchsleistungszentrum in Düsseldorf: Die Fußballer werden sich immer ähnlicher. Sie durchlaufen die Nachwuchsleistungszentren, aber so richtige Ausreißer nach links oder rechts gibt es nicht. Heute kann man im Profibereich bei 90 Prozent der Interviews weghören, weil in der Tat immer dasselbe kommt."

"Leistungsorientierter Nachwuchsfußball" taucht im neuen DFB-Konzept zur Trainerausbildung unter dem Stichwort "Schwerpunkt Fußball" lediglich als siebter von acht Unterpunkten auf. "Wir haben zwar darüber gesprochen, aber bei uns war die Nachwuchsarbeit kein Schwerpunkt", sagt Langeneke. Im Bereich des Profifußballs sei es auch nicht mehr nötig, die Trainer darauf hinzuweisen, dass sie Individualität fördern müssten: "Jeder Trainer hat gerne Typen, die auch mal etwas Besonderes machen und Eingefahrenes aufbrechen. Denn wenn elf taktisch und körperlich gut geschulte Fußballer auf beiden Seiten des Platzes stehen, ist die Gefahr groß, dass sich das Ganze neutralisiert. Deshalb werden wir wahrscheinlich in Zukunft mehr ausgeglichene Spiele haben, in denen auch weniger Tore fallen."

Kein Problem mit Müller

Die Zeiten, in denen verdiente deutsche Nationalspieler – wie Jürgen Klinsmann, Matthias Sammer und Andreas Köpke im Jahr 2000 - in einem Crash-Kurs an der DFB-Akademie ihren Trainerschein machen konnten, liegen lange zurück. "Das ist auch gut so", findet Langeneke. "Ich hätte kein Problem damit, wenn jetzt zum Beispiel einem Thomas Müller einfach der Trainerschein gegeben würde. Der hat so viel erlebt und mitgenommen. Trotzdem würde auch er merken, dass der Trainerberuf ein ganz anderer ist als der des Spielers. Deshalb macht es für jeden Sinn, diese Ausbildung zu machen."

Jens Langeneke in seiner aktiven Zeit als Spieler
Langeneke als Bundesligaspieler (2013)Bild: picture-alliance/dpa/F. Scheidemann

Langeneke hat als Verteidiger für Fortuna Düsseldorf in der ersten und zweiten Bundesliga gespielt, bevor er Trainer wurde. Der 43-Jährige träumt davon, eines Tages selbst eine Profimannschaft zu betreuen. "Man macht den Lehrgang zum Fußballlehrer ja nicht, um die nächsten 20 Jahre im Nachwuchsbereich zu verbringen", sagt Langeneke. "Man muss im Profibereich jedoch auch ein bisschen Glück haben. Aber wenn es eines Tages passieren sollte, fühle ich mich gut vorbereitet." Bis ins Halbfinale der Champions League ist es dann aber immer noch ein weiter Weg.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter