Die flüsternden Botschaften der Soldaten
Forscher haben begonnen, Graffiti auszuwerten, die an Frankreichs Front im Ersten Weltkrieg zu finden sind. Tunnelsysteme enthalten die Namen und Botschaften von Tausenden Soldaten, die Schutz vor der Schlacht suchten.
"Die hard": Stirb langsam
"Die hards", zu deutsch: Jene, die langsam sterben. Das war der Spitzname des Middlesex Regiments, einer britischen Einheit. Er ist - zusammen mit dem Hinweis auf das 17. Bataillon - in großen Blockbuchstaben über den aufwändig gezeichneten Insignien im Stein zu lesen.
Platz für eine Pause
Dies ist der Eingang zu einem Labyrinth aus Tunneln aus dem 16. Jahrhundert, das unter der nordfranzösischen Gemeinde Bouzincourt gefunden wurde. Es bot Tausenden von britischen, kanadischen und australischen Soldaten Schutz während der Schlacht an der Somme im Jahr 1916. Sie verbrachten hier manchmal mehrere Tage, um sich von den Kämpfen auszuruhen.
Ein Herz für B.E.F.
Man muss sich schon ein wenig mit Militärgeschichte befassen, um die Reliefs zu entschlüsseln, die von den Soldaten in den Höhlen hinterlassen wurden. Dieses hier entstand ebenfalls im Jahr 1916 - und über der Jahreszahl ist die Abkürzung B.E.F. zu erkennen. Das Kürzel stand für die British Expeditionary Force, das britische Expeditionskorps.
Mann mit Hut und Schnäuzer
Ein Bart, ein Hut, hochgezogene Augenbrauen - vielleicht ein Selbstporträt? Rund 2100 Namen sind in den Höhlenwänden von Bouzincourt eingraviert. Forscher der Universität von Amiens haben sie fotografiert und in einer Datenbank erfasst.
Zurückgelassen
Ein Soldatenstiefel - einer von vielen militärischen Ausrüstungsgegenständen, die von den Wissenschaftlern in den Tunneln von Bouzincourt entdeckt wurden. Weitere Fundstücke waren: Gewehre, Patronen, Cornedbeef- und Marmeladendosen, ein Toiletteneimer, etliche Helme, ein Abzeichen der "Royal Field Artillery" und eine Zahnbürste.
Touristen im Tunnel
Auch das Dorf Naours nördlich von Amiens ist berühmt für sein mittelalterliches Tunnel- und Höhlen-Labyrinth. Das wurde von Tausenden von Soldaten auf Urlaub von der Front besucht. Aus den Inschriften weiß man, dass die meisten von ihnen Australier waren.
Die Spuren der Vorfahren
An den Felswänden von Naours wurden insgesamt 3200 Namen entdeckt - 2200 davon aus Australien. In vielen Fällen haben sie ihren Namen, ihre Heimatadresse, ihren Dienstgrad, die Bezeichnung ihrer Einheit oder ihre Dienstnummer hinterlassen. Inzwischen kommen viele Nachkommen aus Australien nach Naours - auf der Suche nach den Spuren ihrer Vorfahren.
Früh gestorben
Auch der Australier William Mervyn Lecky war an der Front in Frankreich eingesetzt. 1916 besuchte er die Höhle in Naours. Am 1. September 1918 wurde der Kanonier der australischen Feldartillerie in der Schlacht getötet. Keine drei Monate später war der Krieg vorbei. Das Grab von Lecky ist auf dem Kriegsfriedhof im französischen Peronne zu finden.
Leben im Untergrund
Auch die unterirdische Kapelle in Naours war für viele australische Soldaten eine Touristenattraktion in Kriegszeiten. In vielen Städte im Nordosten Frankreichs gibt es solche geheimen Tunnelsysteme. Die Bewohner wollten sich und ihr Vieh über die Jahrhunderte vor Invasoren schützen.
Unbekannter Meister
Manche Soldaten verbrachten lange Zeit im Tunnel. Einige fanden sogar die Muße, ganze Reliefs oder Schnitzereien fertigzustellen. Diese Figur mit Helm, die sich in der Höhle von Naours findet, könnte das Porträt eines Soldaten sein. Wer es gemacht hat, ist nicht bekannt.
Typisch Deutsch
Natürlich haben die Wissenschaftler auch nationale Unterschiede ausgemacht. Deutsche Inschriften waren eher funktional - und oft mit Propaganda und Hinweisen auf Gott und den Kaiser durchsetzt. Diese Schrifttafel findet sich an einem Bunker in den Vogesen, wo es schwere Kämpfe gegeben hatte. Martin Luther wird zitiert: "Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffe."
Standfeste Bayern
Dieser Bunker in der Nähe von St. Mihiel im nordfranzösischen Departement Maas wurde von einem bayerischen Regiment erbaut. Über dem Eingang steht: "In Treue fest" - was das Motto des Königreichs Bayern war.
Haltbare Schnitzereien
Auch in den Kalksteinbrüchen von Confrecourt, östlich von Compiegne gelegen, finden sich Höhlengraffiti und aufwändige Reliefs. Sie stammen von Soldaten verschiedenster Nationen, die im Ersten Weltkrieg entlang der Westfront eingesetzt waren. Diese Tafeln hier sind offenkundig führenden Offizieren und wichtigen Regimentern gewidmet.
Die Treppe zum Schlachtfeld
Die Soldaten in Confrecourt, die sich vor dem Artilleriefeuer über ihren Köpfen verkrochen, meißelten eine komplette Kapelle in den Stein. Die Treppe führte direkt auf das Schlachtfeld.
Patriotismus, aber kein Hass
Diese Büste der französischen Nationalheldin Marianne zeugt von der Kunstfertigkeit der Soldaten. Im Gegensatz zu Briten oder Australiern neigten die Franzosen nicht dazu, Namen oder andere persönliche Informationen an den Höhlenwänden zu hinterlassen - die Deutschen übrigens auch nicht. Was aber fast alle Graffiti gemeinsam haben: Hass sucht man hier vergeblich.