Strategie-Plan
15. Februar 2010Als US-General Stanley McChrystal im Sommer des vergangenen Jahres das Oberkommando über die internationale Schutztruppe in Afghanistan übernahm, machte er seinen Soldaten eine klare Ansage: "Die Menschen in Afghanistan sind unsere Mission. Wir müssen sie vor jeder Gewalt schützen." Deswegen bat der Vier-Sterne-General seinen Präsidenten um 40.000 weitere Soldaten. Und bekam 30.000. Auch die anderen NATO-Staaten bat Stanley McChrystal um Verstärkung, Deutschland hat zunächst einmal 500 zusätzliche Soldaten zugesagt.
Truppen aufstocken ist Teil der Strategie
Diese Truppen-Verstärkung auf insgesamt rund 130.000 Mann ist ein wichtiger Pfeiler in seiner Strategie. Der 55-Jährige will so oft wie möglich auf Luftangriffe verzichten, bei denen immer wieder Zivilisten ins Visier geraten. Statt dessen will er Präsenz am Boden zeigen. Seine Truppen aus mehr als 40 Nationen sollen gemischte Einheiten mit den Soldaten der afghanischen Armee bilden. Und sie sollen dauerhaft in den Gebieten bleiben, die sie erobern, um sicherzustellen, dass die afghanische Regierung die Kontrolle übernehmen kann. Die Aufbauarbeit soll mit dem Einmarsch der Soldaten beginnen. Es geht darum, so McChrystal, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Der Irak-erfahrene Spezialist für Aufstandsbekämpfung ist überzeugt von seiner Strategie: "Im Sommer 2011 werden die Menschen in Afghanistan realisiert haben, dass die Aufständischen nicht gewinnen können. Und dann werden sie ihre Regierung unterstützen."
Tote Zivilisten und eine Entschuldigung
2011 ist auch das Jahr, in dem Präsident Barack Obama mit dem Abzug beginnen möchte. Die jetzt laufende Operation Mushtarak in der südafghanischen Provinz Helmand ist der erste große Test der neuen Strategie, in deren Zentrum das Wohl der Bevölkerung stehen soll. Aber wenn wie am Sonntag (14.02.2010) Raketen ihr Ziel verfehlen und das Haus einer Familie treffen, dann leidet das Konzept, das vom Vertrauen der Bevölkerung abhängig ist. Der Oberkommandierende der ISAF hat sich sofort für den Tod der zwölf Zivilisten entschuldigt. Doch: Auch am Montag kamen in Südafghanistan wieder Unbeteiligte ums Leben.
"Wir sind hier, um die Bevölkerung zu schützen."
Es ist nicht das erste Mal, das sich McChrystal entschuldigen muss. "Es ist ganz schwierig", erklärt er. Ein Soldat müsse in einer Schlacht immer abwägen. "Er kann Luftunterstützung und Artilleriebeschuss anfordern, um sein Leben zu retten, und das können wir ihm nicht übel nehmen. Aber wir möchten auch, dass unsere Soldaten verstehen, dass alles, was sie tun, Konsequenzen hat. Wir sind hier, um die afghanische Bevölkerung zu schützen. Wir wollen sie vor Gewalt schützen, vor der Gewalt der Taliban genauso wie vor unserer." Sie würden daran arbeiten, so der General, dass die Truppen mit größter Vorsicht operieren.Es kommt erschwerend hinzu, dass seine Soldaten in einem Gebiet kämpfen, in dem sie von der Bevölkerung überwiegend als feindliche Besatzer wahrgenommen werden, die ihnen ein neues Leben aufzwingen wollen. In der südafghanischen Provinz Helmand leben vor allem Paschtunen. Die Volksgruppe ist sehr religiös und lehnt viele westliche Werte ab. Die Paschtunen leben vor allem im Süden und Osten Afghanistans, entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze. Sie haben bisher am wenigsten von der internationalen Hilfe profitiert, dafür aber am meisten unter der Gewalt gelitten. Gebiete zu erobern ist immer möglich. Sie zu halten, ist ungleich schwerer.
Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Miriam Klaussner