Streit um Billig-Importe
1. August 2012Q-Cells, Sovello und Solon – die Liste der deutschen Hersteller von Solarmodulen, die in den vergangenen Monaten Insolvenz angemeldet haben, ist lang. Noch vor wenigen Jahren haben diese Firmen große Erfolge gefeiert – heute zittern sie um ihre Zukunft. Schuld daran sollen die billigen Produkte aus China sein. Um die Pleitewelle der Industrie aufzuhalten, wollen rund 20 europäische Unternehmen mit einer Klage bei der Europäischen Kommission ihrer Konkurrenz aus Fernost einen Strich durch die Rechnung machen.
"Der Wettbewerb ist komplett verzerrt, wir haben es mit Massen zu Dumping-Preisen angebotenen chinesischen Solarmodulen zu tun und das macht den europäischen Herstellern, die fair handeln wollen, das Leben schwer", sagt Milan Nitzschke vom Solarkonzern SolarWorld. Er ist zugleich Sprecher der Initiative EU ProSun, die die Klage eingereicht hat. Es sei deswegen notwendig, etwas zu unternehmen, so Nitzschke. Die Solarbranche reagiert gespalten auf diesen Schritt und Experten sehen in der Forderung nach Schutzzöllen wenig Sinn.
Sonne im Überfluss
"Wettbewerb ist gut, aber der muss zu fairen Bedingungen stattfinden und diese sind im Moment nicht gegeben", sagt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Die Klage sei daher begründet. Schätzungsweise 80 Prozent der Solarmodule in Deutschland sind chinesischen Ursprungs. Überproduktion, Preisdruck und sinkenden Subventionen – damit hat die Solarbranche hierzulande zu kämpfen.
Für einige Experten ist die Klage von EU ProSun dennoch unberechtigt: "Es ist korrekt, dass Module unter Herstellungskosten verkauft wurden, aber dass es ein bewusstes Preisdumping war, um deutschen Herstellern zu schaden, geht an der Realität vorbei", meint Eicke Weber vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme. Weltweit gibt es eine Produktionskapazität von 60 Gigawatt Strom, aber nur 30 Gigawatt werden verkauft, sagt der Experte. "Wir haben eine weltweite Überproduktion. Das heißt, es gibt Firmen, die in Liquiditätsengpässe kommen. Diese sind bereit, Module zu verkaufen, selbst wenn sie in der Herstellung teurer waren, als es der Weltmarktpreis hergibt."
Solarbranche im Zwist
Polysilizium aus Deutschland, Maschinen gefertigt in Deutschland und Spezialglas geliefert aus Deutschland - schätzungsweise 60 Prozent der Wertschöpfung der in China produzierten Solarmodule stammt aus Deutschland. Verständlich auch der Ärger einiger Firmen über die Klage: "Meinungsverschiedenheiten über gleiche Wettbewerbsbedingungen könnten nur im politischen Dialog beigelegt werden", heißt es in einer Pressemitteilung der Wacker Chemie AG, die weltweit Polysilizium herstellt, das für die Produktion von Solarzellen unabdingbar ist. Zwangsmaßnahmen hemmten dagegen den Wettbewerb und könnten einen Handelskrieg provozieren, der in der Konsequenz für alle im Solargeschäft tätigen Unternehmen von Nachteil sei.
Das chinesische Unternehmen Suntech, das in Deutschland vertreten ist, wehrt sich gegen die Vorwürfe und sieht das geltende WTO-Recht nicht verletzt: "Offene Märkte sind unerlässlich, um Solarenergie bezahlbar zu machen", so Björn Emde, Sprecher des Unternehmens. "Die deutsche Technologieführerschaft ist nicht gefährdet. Was gefährdet ist, ist die Massenproduktion, und da sehen wir eine Parallele zu Computern und Handys. Da gab es auch eine Tendenz, dass die Produktion in kostengünstigere Länder abwanderte", sagt Emde.
Sinn und Unsinn von Schutzzöllen
"Wenn die Europäische Union Maßnahmen gegen die Dumping-Preise verhängt, sieht die Zukunft sehr gut aus", gibt sich Nitzschke optimistisch. Mit "Maßnahmen" sind Zölle gemeint, die den Preis von Solarmodulen anheben würden. Bereits vor zwei Monaten hat das US-Handelsministerium vorläufige Zölle auf Solarmodule aus China verhängt. Die endgültige Entscheidung wird im Herbst erwartet. Von der Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist Weber jedoch nicht überzeugt: "Schutzzölle sind für den Weltmarkt sehr gefährlich. Es würde dazu führen, dass Solarenergie in Deutschland wieder teurer wird." Europa sei von Exporten abhängig, sagt Weber. "Eigentlich sitzen wir hier im Glashaus und müssten für den freien Handel plädieren anstatt für das Errichten von Schutzzöllen."
Die Einführung von Anti-Dumping-Zöllen sei ein zweischneidiges Schwert, so DIW-Expertin Kemfert. "Auf der einen Seite gibt es genügend Indikatoren, dass ein Anti-Dumping-Verfahren Sinn macht, auf der anderen Seite heißt es zwar nicht, dass es zu einem Handelskrieg kommen würde, aber zumindest zu erschwerten Bedingungen mit China", sagt Kemfert. Für ein exportorientiertes Land wie Deutschland sei das nicht unbedingt empfehlenswert. Steht der Streit in der Solarbranche für ein generelles Umdenken in der Politik? Gerade in Krisenzeiten rücken die Wirtschaftsmächte von der Idee eines offenen und liberalen Marktes ab.
Die Zukunft der deutschen Solarbranche
Die EU wird die Klage erst prüfen müssen. Sollten alle Voraussetzungen erfüllt sein, können Anti-Dumping-Zölle erst im nächsten Jahr verhängt werden. Die deutsche Solarwirtschaft hat aber derweil mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: "Die Deutschen haben ältere und kleinere Produktionsanlagen. Die deutschen Hersteller haben insgesamt eine Produktionskapazität von zwei Gigawatt, wenn man ganz Europa nimmt, kommt man auf drei Gigawatt. Die Chinesen haben Produktionsanlagen, wo allein eine Anlage ein Gigawatt Jahreskapazität hat", sagt Weber. Außerdem seien die chinesischen Anlagen jünger als die deutschen. "Die deutschen Anlagen sind zum Teil nicht mehr in der Lage, zu den heutigen Weltmarktpreisen zu produzieren." Der Gang nach Brüssel sei schon der richtige Weg. Aber nicht die Einführung von Zöllen sollte man fordern, sagt Weber: "Die europäischen Solarhersteller könnten nach ähnlich zinsgünstigen Krediten fragen, wie sie asiatische Hersteller gewährt bekommen, um so ihre Investitionen zu tätigen."