Ein Oberster Richter geht: Trumps große Chance
27. Juni 2018Justice Anthony Kennedy ist 81 Jahre alt. Seit 43 Jahren dient er in der Bundesgerichtsbarkeit der USA, davon 30 Jahre als Richter am Supreme Court. Nun möchte er etwas mehr Zeit für seine Familie haben. Kennedy war seinerzeit von US-Präsident Ronald Reagan berufen worden – auf Lebenszeit, wie alle Richter am mächtigen Obersten Gericht des Landes. Es sei ihm eine "große Ehre und großes Privileg" gewesen, sagte Kennedy.
Der Supreme Court ist politisch enorm wichtig. Nicht selten hat das Gericht in aktuellen Auseinandersetzungen um weichenstellende Gesetze oder Verfügungen das letzte Wort. So auch bei den großen Themen, an denen sich die gesellschaftliche Spaltung der USA zeigt: Abtreibung, Einwanderung, Todesstrafe, Waffenbesitz. Die Entscheidungen sind oft von landesweiter Bedeutung und prägen die Auslegung von Gesetzen an unteren Gerichten für viele Jahre.
Ein Nachfolger wird "unverzüglich" gesucht
Für US-Präsident Donald Trump eröffnet sich jetzt die historische Chance, dem Obersten Gericht eine nachhaltig konservative Prägung zu geben. Er würdigte Kennedy als "großartigen Richter" und kündigte an, das Verfahren zur Bestimmung des Nachfolgers solle "unverzüglich" beginnen. "Hoffentlich suchen wir jemanden aus, der genauso großartig ist", sagte der Präsident zu Reportern im Weißen Haus.
Der Präsident entscheidet allerdings nicht autonom über die Besetzung der Richterposten - sein Personalvorschlag bedarf der Zustimmung des Senats. Während der Amtszeit von Präsident Barack Obama war der konservative Richter Antonin Scalia gestorben. Obama nominierte mit Merrick Garland einen moderaten Kandidaten für dessen Nachfolge. Die Republikaner im Senat verweigerten ihm aber eine Anhörung, so dass er letztendlich keine Chance hatte. Trump nominierte dann in seinen ersten Amtstagen den Konservativen Neil Gorsuch, den der Senat bestätigte.
Das Zünglein an der Waage
Richter Kennedy ist ein moderater Konservativer, der bei manchen Entscheidungen zusammen mit den linksliberalen Richtern votierte. Da jeweils vier der übrigen Richter klar dem konservativen oder linksliberalen Flügel zuzuordnen sind, stellte er nicht selten die ideologische Mitte dar. Oft gab er als Zünglein an der Waage den Ausschlag.
In sozialen Fragen schlug er sich meistens auf die Seite seiner liberalen Kollegen. So gab sein Votum etwa den Ausschlag dafür, dass der Supreme Court die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs aufrechterhielt, und dass das Gericht vor drei Jahren in einer bahnbrechenden Entscheidung Homosexuellen das Recht auf die Eheschließung zusprach.
Als das Gericht am Dienstag jedoch die heftig umstrittenen Einreiserestriktionen für Bürger muslimischer Länder für nicht verfassungswidrig erklärte, votierte Kennedy mit den anderen vier konservativen Richtern und bescherte Trump einen juristischen Sieg. Ende Juli, so kündigte er nun an, tritt er in den Ruhestand.
rb/kle (afp, ap, dpa, rtr)