Ein Stück Afghanistan mitten in Hamburg
25. Januar 2002"Die Taliban? Nein, darüber haben wir hier gar nichts", sagt Mohamad. Über den Islam wolle er zwar gerne Auskunft geben, die Taliban habe er bei der Zusammenstellung der Museumsstücke jedoch ganz bewusst ausgegliedert. Schließlich wolle er den Besuchern die andere Seite seines Heimatlandes zeigen und nicht diese, die nun jeder durch die Fernsehbilder und Fotos kenne. Ihm sei wichtig zu vermitteln, wie die Menschen vor der Taliban-Herrschaft lebten, wie sie sich gekleidet und geschmückt und womit sie ihren Lebensunterhalt verdient haben.
Von der Sammelleidenschaft gepackt
Bundesweit ist Mohamads afghanisches Museum das Einzige seiner Art. "Nun ja, leicht war es nicht gerade, all diese Dinge aus dem Land zu schaffen", erzählt der Geschäftsmann. Die "richtigen Beziehungen", viel Glück und manchmal auch das nötige Kleingeld hätten ihm jedoch dabei geholfen, die Ausstellung über die Kulturgeschichte seines Heimatlandes zusammenzustellen. Aber auch Privatleute, die längere Zeit in Afghanistan gelebt oder dort Urlaub gemacht haben, stellten Mohamad so manches Stück zur Verfügung.
Neben Alltagsgegenständen sind in dem rund 100 Quadratmeter großen und vom afghanischen Künstler Nazir Hessam gestalteten Ausstellungsraum silbern glitzernde Schmuckstücke aus dem 19. Jahrhundert, zerbeulte Teekessel und bunte, bestickte Kleidungsstücke zu sehen. Daneben finden sich Briefmarken aus dem Jahr 1963, zu der Zeit ein Symbol für Demokratie, Schuhe aus alten Autoreifen und ein alter, rot-grün bemalter Fotoapparat. Schwarzweiß-Fotos aus den 60er Jahren hängen an einer Säule und legen Zeugnis der damaligen Zeit ab, wie es dort vor den Kriegen einmal ausgesehen hat: Westlich gekleidete Menschen stehen unter einem Torbogen auf einer unzerstörten Straße und lächeln in die Kamera, Frauen tragen kokett ihre Sonnenschirme über der Schulter.
Burkha zur Anprobe
Auf Schautafeln wird den rund 200 Besuchern pro Woche die afghanische Kulturgeschichte erklärt. Nachgestellte Alltagssituationen sollen einen Eindruck vom Leben in dem Land am Hindukusch vermitteln. Ein Beispiel: Der Pozellandoktor. Von ihm lernt der Besucher, dass in Afghanistan kaputtes Geschirr mit Klammern wieder zusammengesetzt wird, weil Porzellan so teuer ist. Mit Staunen stellen viele Besucher fest, dass die Jurten, die runden Behausungen der Afghanen, nicht unbedingt ungemütlich sind, sondern mit Kissen und Fellen ausgelegt genug Platz für eine Kleinfamilie bieten. Für Interessierte hält Mohamad außerdem eine Burkha bereit, die probeweise übergestülpt werden kann. "Furchtbar, das ist ja wie im Knast", findet ein 18-jähriger Besucher und zieht den Umhang mit dem postkartengroßen Sichtfenster schnell wieder aus.
In dem Museum wird eine Welt gezeigt, die die wenigsten der Besucher vor dem Rundgang vermutet hätten. Eine Welt und Kultur voller Farbe, Freude und Leben – "auch wenn das viele Menschen hier zu Lande gar nicht vermuten", sagt Mohamad. Eine Museumsbesucherin ist darüber allerdings nicht überrascht. "Dass hier so viele bunte Dinge und Schmuck ausgestellt sind, wundert mich gar nicht", sagt sie - schließlich sei Afghanistan ein Land mit orientalischer Kultur. "Das bringt uns allen Afghanistan vielleicht doch ein Stückchen näher."
Der Kanzler kam inkognito
Über mangelndes Interesse an seinem ausschließlich privat finanzierten Museum kann sich Mohamad seit dem 11. September nicht beklagen. Selbst Bundeskanzler Gerhard Schröder hat unlängst kurz vorbeigeschaut. Er genoss nach dem Rundgang noch gemütlich eine Tasse Tee und knabberte Landestypisches: Kichererbsen und Rosinen. Zurzeit sind es hauptsächlich Schulklassen, die hierher kommen. Doch das Interesse an dem Museum und der afghanischen Kultur war auch schon anderer Natur: Als die Taliban im Mai vergangenen Jahres die beiden riesigen Buddha-Statuen von Bamiyan zerstörten, riefen viele Menschen an und machten ihrer Empörung Luft. "Sie dachten, dass dieses Museum von den Taliban geführt wird", erzählt Mohamad. (dpa/fro)