Einigung über EU-Reform
30. Oktober 2009Die Staats- und Regierungschefs einigten sich bei ihrem Gipfel in Brüssel darauf, Tschechien – genauso wie zuvor Großbritannien und Polen – von der EU-Grundrechte-Charta auszunehmen. "Der Weg für die Ratifizierung durch Tschechien steht jetzt offen", sagte der schwedische Ministerpräsident und Gipfelgastgeber Fredrik Reinfeldt am Donnerstagabend (29.10.2009) nach Abschluss der Beratungen.
Die Gipfelteilnehmer kommen dem EU-kritischen tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus mit einer entsprechenden Fußnote entgegen. Klaus hatte die Ausnahme zur Bedingung gemacht, um den neuen Grundlagenvertrag zu unterschreiben.
Tschechische Zustimmung
Die Billigung in den übrigen 26 Mitgliedstaaten ist bereits abgeschlossen. "Wir haben Präsident Klaus über die Änderungen informiert und er stimmt ihnen zu", sagte der tschechische Regierungschef Jan Fischer. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach von einem "Marathonlauf mit Hürden. Die letzte politische Hürde haben wir heute ausgeräumt". Allerdings gibt es noch eine juristische: Das Verfassungsgericht in Prag muss in der kommenden Woche noch entscheiden, ob der Lissabon-Vertrag verfassungskonform ist. Tschechiens Premier Fischer zeigte sich dennoch optimistisch und sagte, sein Land werde den Vertrag ratifizieren, "so dass er bis zum Ende des Jahres in Kraft treten kann".
Der Gipfel-Kompromiss stellt klar, dass die im Lissabon-Vertrag enthaltene Grundrechte-Charta keine Rechtsgrundlage für mögliche Klagen gegen die sogenannten Benes-Dekrete von 1945 sind. Auf deren Grundlage waren mehr als zwei Millionen Sudetendeutsche und Hunderttausende von Ungarn aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben worden.
Noch keine Entscheidung über Top-Jobs
Reinfeldt sagte, es sei noch nicht über die neuen Spitzenjobs gesprochen worden, die mit dem Lissabon-Vertrag geschaffen werden. Der erste ständige EU-Ratspräsident, der die Gipfeltreffen leiten wird, soll demnach aus dem konservativen Lager kommen. Der EU- "Außenminister" soll ein Sozialdemokrat sein.
Für den Präsidentenposten im Gespräch sind unter anderem der ehemalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende, der belgische Ex-Premier Guy Verhofstadt und der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker. Der britische Ex-Premier Tony Blair hat dem Vernehmen nach keine Chance mehr.
Uneinigkeit über Klimaschutz
Eine schlechte Figur machte die Gipfelrunde beim Klimaschutz, wo die EU ihre globale Vorreiterrolle im Kampf gegen die Erderwärmung aufs Spiel setzt. Fünf Wochen vor dem Weltklimagipfel in Kopenhagen haben sich die Mitgliedstaaten wegen der Verteilung von Milliarden-Hilfen für die Entwicklungsländer überworfen.
Reinfeldt zeigte sich dennoch zuversichtlich, am Freitag noch zu einer Vereinbarung zu kommen. Deutschland, Frankreich und Italien hatten sich geweigert, konkrete Finanzierungsangebote für die armen Länder in der Welt auf den Tisch zu legen, wie Diplomaten sagten.
Autor: Ranty Islam (dpa, ap, afp)
Redaktion: Martin Muno