Nicht jeder versteht das Kunstwerk als Spaß
16. Januar 2009Darf man das? Schweden als riesiger Ikea-Karton, die Niederlande als einzige Wasserfläche, aus der nur Minarette herausragen, an der geographischen Stelle Großbritanniens ist gar nichts, auf der Deutschlandkarte sind Autobahnen, die an ein Hakenkreuz erinnern, und Bulgarien ist ein Stehklo. “Entropa“ heißt das Kunstwerk und lässt kein nationales Klischee aus. Als irgendeine künstlerische Idee wäre die Installation wohl wenig beachtet worden. Doch "Entropa" ist der offizielle tschechische Beitrag für die Ratspräsidentschaft und hängt neuerdings an prominenter Stelle im Brüsseler EU-Ratsgebäude.
Wie weit geht die Freiheit der Kunst?
Seitdem fegt ein Sturm der Empörung durch halb Europa. Bulgarien, also das Stehklo im Kunstwerk, bestellte aus Protest sogar den tschechischen Botschafter ein. Der stellvertretende tschechische Ministerpräsident Alexandr Vondra sprach bei der Einweihung zwar von der Freiheit der Kunst und dass es 20 Jahre seit dem Fall des Eisernen Vorhangs keine Zensur mehr in Europa geben dürfe, doch er entschuldigte sich schließlich in aller Form bei denen, die sich beleidigt fühlen. Und er versprach, wenn die bulgarische Regierung darauf bestehe, das Stehklo entfernen zu lassen. "Natürlich bestehen wir darauf", sagte eine Sprecherin der bulgarischen EU-Botschaft; auch EU-Chefdiplomat Javier Solana wurde bereits angeschrieben.
Vondra selbst scheint sich jedoch vielmehr darüber aufzuregen, dass der beauftragte Prager Künstler David Černý die tschechische Regierung offenbar bewusst getäuscht hat: Černý hatte zunächst behauptet, Künstlerkollegen aus den allen EU-Mitgliedsländern hätten die einzelnen Teile zugeliefert. Erst als "Entropa" bereits hing, rückte er mit der Wahrheit heraus: nämlich dass diese Künstler erfunden waren.
Alles nur ein Witz?
Am Donnerstag (15.1.2009) gab Černý vor laufenden Kameras zu, "meine Regierung, besonders Alexandr Vondra, Karel Schwarzenberg und Herrn Topolánek bewusst getäuscht" zu haben und entschuldigt sich ebenfalls bei denen, die sich verletzt fühlen. Er habe ernsthaft erwartet, sein Kunstwerk werde "als Witz" verstanden, und habe niemanden beleidigen wollen. Černý spricht seine Worte mit hängendem Kopf, doch die öffentlich vorgetragene Zerknirschung scheint nicht so recht zu dem Mann mit den wilden Haaren und der schwarzen Kleidung zu passen. Offenbar hatte die tschechische Regierung großen Druck auf ihn und seine Mitarbeiter ausgeübt. Einige Journalisten forderten ihn regelrecht auf, doch zu seinem Kunstwerk zu stehen.
Dabei ist David Černý in Tschechien kein unbeschriebenes Blatt. Er gilt als Provokateur. Viele sagen, die Regierung habe von ihm niemals ein gefälliges Allerweltskunstwerk erwarten können.
Das Kunstwerk hat durchaus Fans
Was nun aus "Entropa" wird, ist offen. Bulgarien besteht darauf, dass seine Darstellung als eine Ansammlung von Toiletten aus dem gigantischen Puzzle "Entropa" abgenommen wird. Sollte es verändert werden oder sogar gänzlich verschwinden, fänden das mindestens so viele schade, wie es andere begrüßen würden. Denn seit das Werk in Brüssel hängt, lacht halb Europa über die dargestellten Klischees. David Černý würde wohl schmunzeln, aber nur ganz, ganz heimlich.