Karlsruhe billigt Garzweiler II
17. Dezember 2013Der Name Garzweiler steht für jahrelangen Streit über die Braunkohleförderung in Nordrhein-Westfalen. Zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe sollen nun für Klarheit sorgen. Die Richter entschieden, dass die Umsiedelung ganzer Ortschaften und die Enteignung von Grund und Boden zur Gewinnung von Braunkohle verfassungskonform sind. Die "Versorgung des Marktes mit Rohstoffen" sei ein Gemeinwohlziel im Sinne des Grundgesetzes, urteilte das Gericht zum umstritten Braunkohlentagebau Garzweiler II bei Köln.
"Rückgabe ohne Wert"
Es wies die Verfassungsbeschwerde eines Anwohners gegen die Enteignung seines Elternhauses als unbegründet zurück. Dagegen - so entschieden die Richter weiter - wurden die Grundrechte des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bei der Enteignung einer Obstwiese verletzt. Dem Verband sei eine hinreichende gerichtliche Prüfung des Enteignungsbeschlusses von 2005 versagt worden, weil die erforderliche Gesamtabwägung in Bezug auf den Tagebau Garzweiler nicht stattgefunden habe, erklärten die Richter. Das Grundstück wird trotzdem nicht zurückgegeben, weil es bereits abgebaggert wurde. "Eine Rückgabe wäre faktisch ohne Wert", hieß es.
Rechtsschutz Betroffener gestärkt
Über die konkreten Fälle hinaus stärkten die Richter die Rechtsschutzmöglichkeiten Betroffener bei Großvorhaben, die mit Umsiedelung und Enteignung verbunden sind. Anwohner müssten bereits gegen die behördliche Zulassung des Vorhabens vorgehen können, hieß es. Bislang konnten Betroffene erst klagen, wenn die Bagger mehr oder weniger vor der Tür stehen.
Für den Tagebau bei Köln sind bereits Dörfer umgesiedelt worden. Der Vorsitzende Richter des Ersten Senats, Ferdinand Kirchhof, hob die hohen Anforderungen an Enteignungen von Privatbesitz nach Artikel 14 des Grundgesetzes hervor. Die Maßnahme müsse erforderlich und unverzichtbar sein, um Gemeinwohlziele zu erreichen, die zudem vom Gesetzgeber festgelegt sein müssten.
Mit dem Abbau von Kohle werde ein gesetzlich hinreichend bestimmtes und auch ausreichend tragfähiges Gemeinwohlziel umgesetzt, erklärte das Verfassungsgericht. Die Gewinnung und Verstromung von Braunkohle aus dem Tagebau Garzweiler II leiste einen wesentlichen Beitrag zum angestrebten Energiemix für das Land Nordrhein-Westfalen.
Mit welchen Energieträgern eine zuverlässige Versorgung sichergestellt werden solle, sei eine Entscheidung der Politik, betonten die Richter. Bund und Länder hätten hier einen weiten Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum.
Der Energiekonzern RWE Power will in dem 2006 eröffneten Tagebau Garzweiler II auf einer Fläche von 4.800 Hektar bis 2045 bis zu 1,3 Milliarden Tonnen Braunkohle fördern. Von Umsiedlungen sind diverse Ortschaften mit Tausenden Einwohnern betroffen.
se/gmf (dpa, afp, epd, rtr)