Vorzeige-Moschee
24. Oktober 2008Für Mustafa Küçük ein Traum wahr: Endlich habe die Gemeinde ein würdiges Gotteshaus, schwämt der Sprecher der Ditib-Gemeinde in Duisburg, "eben keine der zahllosen Hinterhofmoscheen, in die sich die Duisburger Muslime bislang zurückziehen mussten". Am Sonntag (26.10.1008) wird in Duisburg Deutschlands größte Moschee eröffnet und die ganze Stadt ist stolz und neugierig. Was als Idee für eine neue Moschee begann, hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Vorzeigeprojekt entwickelt und das Besondere: Unter dem Kuppeldach wird es auch ein Begegnungszentrum geben.
Das 7,5 Millionen-Euro-Projekt liegt mitten im Duisburger Stadtteil Marxloh: Ein altes Zechenviertel, dessen blühende Zeiten längst vorbei sind. Lange folgen die Schienen dem Werkszaun von ThyssenKrupp. Wie Nebelkerzen pusten die Schlote des Stahlwerks ihren Qualm in den Himmel, es riecht nach verbrannter Kohle. So manches Ladenlokal wartet hier seit Jahren auf Mieter. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Einkommen niedrig: Wer konnte, ist weggezogen. Wer das Geld dafür nicht hatte, der musste bleiben: Gut ein Drittel der Marxloher sind Migranten. Doch die neue Moschee weckt Hoffnungen bei den Marxlohern - auch wenn sie dort nicht beten werden. 30.000 neugierige Besucher aller Welt kamen schon vor der Eröffnung, um sich die Baustelle anzuschauen.
Beten in der Zechenkantine
Die Merkez-Moschee ist im osmanischen Stil gehalten, 34 Meter ist das Minarett hoch, das Dach besteht aus fünf verschachtelten Kuppeln – doch Widerstand regte sich nicht: Während in vielen anderen deutschen Städten ein Moscheebau bei den Anwohnern für antimuslimische Proteste, diffuse Ängste und rechtspopulistischen Parolen führen, blieb es in Marxloh ruhig. Denn dort wurde nicht erst bei der Bauplanung mit der Integrationsarbeit begonnen, sagt Leyla Özmal, die Integrationsbeauftragte der Stadt Duisburg: "Die Moschee ist hier nicht eingeschlagen wie ein UFO", erinnert sie sich. In Marxloh sei dass Zusammenleben verschiedener Kulturen schon ein Thema gewesen, bevor die Pläne für den Neubau bekannt wurden.
Nur ein Dutzend Pflastersteine fehlt noch vor dem Seiteneingang – und eine Palette Efeu-Pflanzen in den neu angelegten Beeten: Kurz vor der Eröffnung ist viel los vor dem grauen Beton-Minarett. Und unter den handbemalten Kuppeln wandeln auf dem satt-roten dicken Teppich - auf Socken - neugierige Gemeindemitglieder, Journalisten, Anwohner. Immer wieder bleiben die Blicke der Besucher am Prunkstück des Gebetsraums hängen: Ein ausladender goldener Kronleuchter. 700 Kilo ist er schwer und an seinem umlaufenden Goldrand sind in arabischer Schrift die 99 Namen Gottes eingraviert. Die Ornamente an der Kuppeldecke sind handgemalt. Auch durch einen erstklassigen Bau wollte die türkisch-islamische Gemeinde überzeugen – genau dort, wo Marxloher Muslime jahrelang in einer alten Zechenkantine beteten.
Webcam im Gebetsraum
Noch immer sind muslimische Gebetsräume in Deutschland oft in Hinterhöfen untergebracht und geben Anlass zu Misstrauen und Spekulationen über das, was dort passiert. Auch in Duisburg waren einige Anwohner anfangs skeptisch, doch die türkisch-islamische Gemeinde reagierte schnell: Sie berief einen externen Beirat, darin vertreten: Stadtentwickler, Sportvereine, Schulen, Parteien und Kirchen. Alle waren an der Planung der Moschee beteiligt. "Das war der Schlüssel zu dem Erfolg hier", sagt Dursun Yilmaz, Projektbegleiter bei der Stadtentwicklungsgesellschaft der Stadt Duisburg und Mustafa Küçük fügt hinzu: "Wir sind offen mit der Kritik umgegangen, weil wir wussten, dass wir nichts Böses vor haben - nichts, was die Gesellschaft nicht will."
Viele Vorschläge des externen Beirats wurden realisiert: Etwa die großen Fenster vom Boden bis zur zweiten Etage, die den Gebetsraum taghell machen und zeigen sollen, dass die Gemeinde nichts zu verbergen hat. Oder die Kamera im Gebetsraum. "Mit der Webcam wollen wir in Zukunft auf unserer Homepage zeigen, was in einer Moschee passiert, dass hier jeder Mensch guten Willens willkommen ist", sagt Küçük. Auch zum Zusammensitzen, Reden und Kennenlernen, denn, so Kücük: "das Leben besteht nicht nur aus Religion."
Islam zum Kennenlernen
Bei einer Tasse Kaffee oder Tee sollen die Marxloher künftig in einer neuen Begegnungsstätte plaudern können, die neben dem Gebetsraum untergebracht ist. Gläubiger Muslim muss man dafür nicht sein. Im Gegenteil: Die Begegnungsstätte ist als säkulare Einrichtung für alle Besucher geplant. Ein Anlaufpunkt für Jugendliche aus dem Viertel soll sie sein, ein Ort zum Deutsch oder Türkisch lernen. Und ein Informationspunkt für alle, die sich für den Islam interessieren.
Die multifunktionale Merkez-Moschee wird den Stadtteil weiter verändern, da ist sich Mustafa Küçük sicher. Denn für viele Migranten in Marxloh ist Bau mehr als eine würdige Gebetsstätte. Sie ist ein Symbol, aber nicht für Heimweh oder Abgrenzung. Sondern für das Ankommen in Deutschland. "Sie ist ein Zeichen von Heimat und wir sagen denen, die es immer noch nicht getan haben: Leute, es ist Zeit, die Koffer auszupacken."