Deutsch-französischer Kuhhandel
19. Oktober 2010Die Musik spielte eigentlich nicht in Luxemburg, sondern im französischen Deauville, wo Präsident Nicolas Sarkozy mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammensaß. Und dort ist Deutschland, das eigentlich einen sehr harten Sanktionsmechanismus durchsetzen wollte, Frankreich weit entgegengekommen. Statt automatischer Strafen gegen Defizitsünder soll den Staaten jetzt doch ein politischer Spielraum bleiben, wenn es um die Eröffnung eines Defizitverfahrens geht. Die Sanktionsmöglichkeiten werden allerdings erweitert. EU-Währungskommissar Olli Rehn machte in Luxemburg gute Miene zum bösen Spiel, denn auch er hatte automatische Sanktionen gefordert. Positiv sieht er unter anderem, dass in Zukunft neben der Neuverschuldung mehr Wert auf die Gesamtverschuldung gelegt werden soll. "Im Durchschnitt der EU hat sich die öffentliche Verschuldung in zwei, drei Jahren von gut 60 Prozent auf fast 90 Prozent erhöht. Innerhalb von zwei Jahren wurden die Konsolidierungsbemühungen von zwanzig Jahren ausgelöscht." Untersuchungen hätten gezeigt, dass es ab einer Grenze von 90 Prozent kritisch für private Investitionen werde.
Unterschiedliche Reaktionen zu Deauville
Offen enttäuscht äußerte sich der schwedische Finanzminister Anders Borg. Er sei "überrascht, dass wir nicht die hundertprozentige Haushaltsdisziplin von Deutschland bekommen haben. Wir hätten ein bisschen weiter kommen können." Der deutsche Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen, der den kranken Minister Wolfgang Schäuble vertrat, verteidigte dagegen die Vereinbarung von Deauville. Ohne sie hätte es keine Verschärfung der Sanktionen gegeben, meinte er und fragte rhetorisch: "Wäre das besser gewesen?"
London will keinen Machttransfer nach Brüssel
Im Gegenzug zum Berliner Entgegenkommen will Frankreich die deutsche Regierung bei dem Vorhaben unterstützen, zur weiteren Verschärfung des Sanktionsmechanismus auch Vertragsänderungen durchzusetzen. Damit könnten etwa Stimmrechte von chronischen Defizitsündern ausgesetzt werden. Doch der belgische Finanzminister und Ratsvorsitzende Didier Reynders ist skeptisch, ob das möglich sein wird. "Das wäre eine grundlegende Änderung, wie wir in der EU leben." Zwei große Länder hätten das nun gefordert, aber man müsse das dem anstehenden EU-Gipfel kommende Woche überlassen. "Wir werden sehen." Die britische Regierung hat bereits angekündigt, dass sie Vertragsänderungen, die eine Machtverlagerung nach Brüssel bedeuten, auf keinen Fall mittragen wird. Allerdings ist Großbritannien, da es außerhalb des Euro-Raums liegt, von Regelungen zum Stabilitätspakt auch nicht so direkt betroffen.
Hedgefondsregulierung "im Interesse der EU-Bürger"
Britische Bedenken konnten dagegen bei der geplanten EU-weiten Regulierung von hochspekulativen Hedgefonds ausgeräumt werden. Asmussen zeigte sich hocherfreut. "Das führt auch dazu, dass wir den Investorenschutz verstärken, weil es auch im Interesse eines jeden einzelnen EU-Bürgers ist zu wissen, dass seine Versicherung oder sein Pensionsfonds in regulierte und beaufsichtigte Fondsprodukte investiert." Bisher gibt es auf EU-Ebene keine einheitlichen Regeln für Hedgefonds. Ihr Gesamtwert wird auf über 1000 Milliarden Euro geschätzt.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Zhang Danhong