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Lammert setzt auf eine "Kampagne politischer Erinnerungskultur"

Christoph Strack16. Januar 2014

Im Erinnerungsjahr 2014 will die Schau "Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme" die europäische Dimension der Gedenktage aufzeigen. Bundestagspräsident Lammert eröffnete die Ausstellung.

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Ausstellung Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme Copyright: picture-alliance/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Es ist eine Ausstellung mit einem großen Anspruch. Die Präsentation "Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme" will auf 26 Schautafeln "Streiflichter auf die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert" werfen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) eröffnete die Schau und sprach vom "Auftakt für eine Kampagne politischer Erinnerungskultur".

Der Beginn des Ersten Weltkriegs (1914-18) vor 100 Jahren, der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs (1939-45) vor 75 Jahren, der Fall der innerdeutschen Mauer vor 25 Jahren – das sind die Eckdaten des Gedenkjahres 2014. Die erste Tafel ist der "Urkatastrophe" des 20. Jahrhunderts gewidmet, dem Massensterben auf den Schlachtfeldern im Westen. Für den Beginn dieses großen Krieges trage Deutschland, so die Ausstellungstafel, eine hohe und mitentscheidende Verantwortung. Dann geht es über die revolutionären Umbrüche, die Weltwirtschaftskrise und das Scheitern schwacher Demokratien zum Zweiten Weltkrieg mit dem Vernichtungskrieg im Osten und dem nationalsozialistischen Massenmord an Europas Juden. Der Ausstellungsbesucher wird durch die Zeit des Kalten Krieges mit den Aufständen im Osten und dem Wettlauf der Systeme thematisch zum Zusammenwachsen Europas geführt.

Das soziale Europa

Der letzten Schautafel "Europa als Herausforderung" kommt in Zeiten der Euro-Krise mahnende Bedeutung zu: Der Blick auf die letzten 100 Jahre der Geschichte Europas zeige, dass es zu einem geeinten und sozialen Europa keine Alternative gibt und dass, gemessen an den Abgründen der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, alle Probleme der Gegenwart lösbar sind und gelöst werden müssen.

Ausstellung Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme Copyright: picture-alliance/dpa
Bundestagspräsident Lammert setzt auf eine "Kampagne politischer Erinnerungskultur"Bild: picture-alliance/dpa

Mit 26 Schautafeln ist die Ausstellung ausgesprochen konventionell gehalten. Immerhin: Bei 24 Tafeln können Betrachter mit Hilfe ihres Smartphones einen QR-Code nutzen und so 24 akustische Zeitreisen ins 20. Jahrhundert unternehmen. Von der Kriegsbegeisterung der Mobilmachung 1914 über Redepassagen von Wladimir Iljitsch Lenin, Josef Stalin, Benito Mussolini, Adolf Hitler und Joseph Goebbels geht es zum Bau der Berliner Mauer und den Tagen der Studentenproteste. Für den Umbruch im Osten steht ein Interview mit dem Führer der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc, Lech Walesa, vom September 1989.

Debatte um das Entstehen von Diktaturen

In wissenschaftlichen und innerdeutschen Debatten ist durchaus umstritten, in welchem Maße diese großen historischen Daten 1914, 1939 und 1989 zusammenhängen. Diese Spannung klang auch bei der kurzen Eröffnung der Schau an: Lammert mahnte, den "Ehrgeiz nicht zu übertreiben, zwischen den verschiedenen Jahrestagen Kausalzusammenhänge herstellen zu wollen, die es gar nicht oder nur in begrenztem Umfang gibt". Nur Minuten später äußerte sich die Geschäftsführerin der Bundesstiftung Aufarbeitung, Anna Kaminsky, ganz anders: Die Gewalterfahrung des Ersten Weltkrieges habe das Entstehen von Diktaturen, Faschismus und Nationalsozialismus "erst ermöglicht". Die Zwischenkriegszeit zwischen 1918 und 1939 habe wesentlich beigetragen zum Kalten Krieg nach 1945. Und für Zigmillionen Menschen in Mittel- und Osteuropa sei mit der friedlichen Revolution und dem Mauerfall von 1989 nicht nur die Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges, sondern auch des Ersten Weltkrieges zu Ende gegangen.

Ausstellung Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme Copyright: ohne

Blick auf die europäische Ebene

Auf jeden Fall leitet das Gedenken den vielleicht nationalen Blick auf die europäische Ebene. Die Schau solle die Menschen bewegen, sich mit der Geschichte von Diktatur und Demokratie in Europa auseinanderzusetzen, so Kaminsky. Dabei scheiterte der Versuch, aus dem seit dem Jahr 2010 geplanten deutschen Ausstellungsprojekt ein europäisches zu machen. Brüsseler Stellen, so Kaminsky, hätten bedauernd mitgeteilt, dass 2014 als Themenjahr schon dem Bereich "science and nature" gewidmet sei. Das sagt mehr über Europa als über das Projekt, das das Institut für Zeitgeschichte und die Bundesstiftung Aufarbeitung mit dem Deutschlandradio Kultur gemeinsam herausgeben.

Das wirklich Besondere an der Schau: Sie erscheint in einer Auflage von mindestens 3000 Exemplaren und soll damit während des laufenden Gedenkjahres in mehr als 1000 Städten und Gemeinden in Deutschland zu sehen sein. Bemerkenswerter ist vielleicht noch die Aufbereitung für das Ausland. Nach Angaben der Bundesstiftung Aufarbeitung liegen die Informationstafeln bereits in zehn Sprachen vor, darunter Englisch, Spanisch und Russisch. Über die deutschen Botschaften in aller Welt will das Auswärtige Amt in Berlin für die Verbreitung der Schau in aller Welt sorgen.