Erste XFEL-Bilder begeistern Forscher
28. August 2018Knapp ein Jahr nach der Inbetriebnahme des Freien-Elektronen-Lasers für Röntgenlicht (X-Ray Free-Electron Laser) hat ein internationales Forscherteam um Professor Ilme Schlichting vom Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg die weltweit erste Publikation mit Forschungsergebnissen veröffentlicht. In der Fachzeitschrift Nature Communications beschreiben die Forscher drei verschiedene Eiweißmoleküle aus Pflanzen.
Während ihres Experiments nahmen die Forscher Tausende von Bildern der Moleküle auf. Damit konnten sie dreidimensionale Modelle berechnen, die gut genug waren, um die verschiedenen Moleküle unterscheiden zu können.
Adrian Manusco, leitender Wissenschaftler an der Experimentierstation am XFEL beschrieb die Publikation als "Meilenstein". Im nächsten Schritt möchte er nun, die Anlage nutzen, um Moleküle in Aktion zu filmen, sagte Manusco.
Erst 2017 in Betrieb genommen
Der XFEL ist stolze 3,4 Kilometer lang. Die Forschungsanlage reicht vom Gelände des Deutschen Elektronensynchrotron (DESY) im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld bis nach Schenefeld im Kreis Pinneberg in Schleswig Holstein.
Mehrere wissenschaftliche Labore können das superhelle Röntgenlicht nutzen. Es kommt über Rohre zu ihnen, die ähnliche Dimensionen wie Wasserleitungen in einem Haushalt haben. Zur Zeit sind nur zwei Labore angeschlossen, in Zukunft sollen es sieben sein.
Diese Labore bieten Forschern ungeahnte Möglichkeiten: In der Materialforschung lassen sich etwa Nanostrukturen genau studieren. Physiker können Materie extremen Drücken und Temperaturen aussetzen und herausfinden, wie diese sich unter riesigen Energiedichten verhält. Sie können damit Zustände erzeugen, wie sie bei der Entstehung des Universums herrschten. Oder sie können mit hochpräzisen Spektroskopen andere Geheimnisse lüften.
Biochemiker und Mediziner können sich Biomoleküle detailliert anschauen, Viren molekular entschlüsseln oder auch herausfinden, was schief läuft, wenn der menschliche Körper plötzlich Krebszellen produziert.
Extrem kurz, extrem hell
Die Röntgenblitze, die am Ende der Anlage herauskommen, dauern etwa 0,000.000.000.000.01 (zehn Billiardstel) Sekunden - oder anders ausgedrückt - zehn Femtosekunden. Von diesen Blitzen gibt es pro Sekunde 27.000. Ihre Wellenlänge ist extrem kurz: 0,005 bis 4,7 Nanometer. Das reicht aus, um Details von Atomen zu zeigen.
Die riesige Anzahl von Bildern pro Sekunde wiederum macht es möglich, Aufnahmen von Reaktionsprozessen zu schießen, die noch nicht abgeschlossen sind. Bisher war so etwas nicht möglich. Die gesamte Chemie, wie wir sie kennen, beruht darauf, dass man sich einen Zustand vorher und einen Zustand nachher anschaut und aufgrund unseres physikalischen und mathematischen Wissens theoretische Rückschlüsse darauf zieht, wie sich die Moleküle und Atome dazwischen verhalten haben müssen. Mit XFEL lassen sich solche Reaktionsprozesse zum ersten Mal quasi in Echtzeit beobachten und filmen.
Ein Kilometerlanger Tunnel zum Forschungscampus
Die Röntgenblitze, mit denen die Forscher arbeiten, bestehen aus Elektronen, die in extrem kurzen gepulsten Paketen im Labor ankommen.
Die Elektronenpakete werden durch gepulsten Laserbeschuss extra erzeugt. Dann fliegen sie durch eine 1,7 Kilometer lange geradlinige Beschleunigungsstrecke. Diese besteht aus supraleitenden Kammern, in denen eine Mikrowellenstrahlung schwingt und die Teilchen so antreibt. Die Kammern sind auf Minus 271 Grad Celsius heruntergekühlt - damit der Strom in der Anlage widerstandsfrei fließen kann.
Das Ganze findet in einem Tunnel statt - 15 bis 38 Meter tief unter der Erde. Mit nahezu Lichtgeschwindigkeit und hohen Energien von bis zu 17,5 Milliarden Elektronenvolt werden die Elektronenpakete über Weichen zu den unterschiedlichen Labors gelenkt.
Von Europa gebaut für Forscher aus der ganzen Welt
Die ersten Wissenschaftler, die den Zuschlag für Forschungen am European XFEL bekommen hatten, waren Teams um den Australier Anton Bartyund den polnischen Forscher Wojciech Gawelda. Beide arbeiten am DESY. Auch britischen und russischen Forschern wurde zu Beginn des Betriebes Experimentierzeit eingeräumt. Bisher forschen Teams und Wissenschaftler aus 35 Universitäten und Forschungseinrichtungen aus aller Welt am European XFEL.
XFEL ist ein europaweites Kooperationsprojekt. Deutschland trägt 58 Prozent der Kosten und Russland 27 Prozent. Die weiteren Teilnehmerstaaten sind Dänemark, Frankreich, Italien, Polen, Russland, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, Spanien und Ungarn mit jeweils einem bis drei Prozent der Kosten.