Klimakonferenz in Warschau
12. November 2013Mittagszeit in Warschau. Es riecht nach Brathuhn und gekochtem Gemüse. Delegierte der Klimakonferenz setzen sich mit ihren Tabletts an die Tische der Cafeteria im Warschauer Nationalstadion. Nur an einem Tisch sitzt ein Mann, der weder ein Tablett vor sich hat, noch etwas isst.
Yeb Saño leitet die Delegation der Philippinen. Vor den versammelten Unterhändlern der über 190 Länder, die bei dieser Konferenz vertreten sind, hat er am Montag (11.11.2013) in einem emotionalen Appell versichert, dass er ab jetzt fasten werde - aus Solidarität mit seinen Landsleuten und seinem Bruder: Sie hätten in den vom Taifun Haiyan zerstörten Regionen seit Tagen kaum etwas zu essen. Das will er durchhalten, bis ein "bedeutendes" Abkommen verhandelt ist.
Heute, am zweiten Tag seines Fastens, schaut er sich in der Cafeteria um und erzählt, dass sein Arzt ihm gesagt habe, er solle Orte meiden, in denen es nach Essen riecht. Das klappe wohl noch nicht so gut, meint er schulterzuckend.
"Keiner Illusion hingeben"
In seinem dunklen Anzug, mit weißem Hemd und blauer Krawatte, wirkt Saño eher wie ein nüchterner Politiker denn wie ein Träumer. Er gebe sich keinerlei Illusion hin: Seine Fastenaktion oder selbst die Tragödie auf den Philippinen werde die Verhandlungen auf der Klimakonferenz nicht drastisch verändern, sagt er denn auch. "Aber wir hoffen, dass die Menschheit die Herausforderung annimmt und wir hier in Warschau vorankommen."
Vorankommen - das bedeutet für ihn, dass die Industrieländer Geld für die sogenannte Anpassung zusagen. Diese beinhaltet finanzielle Unterstützung, damit die Entwicklungsländer einen wirksamen Katastrophenschutz aufbauen können. Oder um Pläne zu entwickeln, wie sie ihre Bodennutzung so ändern können, dass extreme Wetterereignisse nicht so viel Schaden anrichten. Vorankommen bedeutet auch, dass in Warschau ein Mechanismus beschlossen wird, wie die Länder für klimawandelbedingte Schäden aufzukommen gedenken.
Philippinen mit am schwersten von Extremwetter betroffen
Ob der Taifun Haiyan vom Klimawandel verursacht wurde und die immensen Schäden mithin klimwandelbedingt seien, sei allerdings unbekannt. "Wissenschaftler können nicht eindeutig sagen, ob einzelne Wetterphänomene infolge des Klimawandels auftreten oder nicht", sagt Saño. "Aber sie können sagen, dass die Erwärmung der Ozeane zu mehr Niederschlag führt, und dass das wiederum heftigere Stürme begünstigt."
Das sieht Christoph Bals genauso. Bals ist politischer Geschäftsführer der Organisation Germanwatch, die Jahr für Jahr in ihrem Klima-Risiko-Index analysiert, welche extremen Wetterereignisse welche Länder heimgesucht haben, wie viele Menschen dabei zu Tode gekommen sind und welche finanziellen Schäden entstanden sind.
Auch ohne den Taifun Haiyan zu berücksichtigen: Auf der Rangliste der 2012 am meisten betroffenen Länder stehen die Philippinen weit oben. Den Platz hat ihnen vor allem der Taifun Bopha eingebracht: Über 1.400 Tote und Schäden von 1,2 Milliarden US-Dollar - das war seine Bilanz im Dezember 2012.
"Industrieländer können sich besser schützen"
Auch auf einer weiteren Rangliste von Germanwatch stehen die Philippinen unter den ersten Zehn: auf derjenigen nämlich, die die Länder ermittelt, die im Zeitraum der letzten zwanzig Jahre am schwersten betroffen waren. Ganz oben stehen Honduras, Myanmar und Haiti - aber auch alle anderen der Top Ten sind Entwicklungsländer. "Das liegt in erster Linie daran, dass sich Industrieländer besser vor solchen Katastrophen schützen können", sagt Bals.
Es mag ironisch erscheinen, dass ausgerechnet die Philippinen laut Bals zu den Entwicklungsländern gehören, die gut für Wetterextreme gerüstet sind. "Sie werden in Afrika ständig als Experten für Anpassung angefragt, um die afrikanischen Staaten darin zu unterstützen, sich auf Wetterextreme vorzubereiten", erzählt er.
Ein Aktionsplan ist nicht genug
Ja, sagt Yeb Saño, die Regierung habe einen nationalen Aktionsplan zum Klimawandel verabschiedet und einige Regionen hätten sicherlich Fortschritte dabei gemacht, sich auf Klimarisiken einzustellen. Aber Haiyan habe eines deutlich gezeigt: Alles, was man bisher getan habe, um sich für solche extremen Wetterkatastrophen zu rüsten, sei nicht genug gewesen.
Doch mehr könnte sein Land alleine nicht stemmen: "Wir haben doch auch noch diese ganzen anderen Probleme eines Entwicklungslandes, die wir bewältigen müssen", sagt er, "Armut, Bildung, Gesundheit - da haben wir einfach nicht genügend Geld, um uns ausreichend für extreme Wetterereignisse zu rüsten."