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Fortschritte in Fukushima

Martin Fritz17. Februar 2015

Wieder haben Inspektoren der Atomenergiebehörde IAEA den Fortgang der Aufräumarbeiten im AKW Fukushima untersucht. Diesmal lobten sie die gesunkenen Strahlenwerte und forderten eine Lösung des Wasserproblems.

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IAEA-Experten in Fukushima 2013 (Foto: Greg Webb / IAEA)
Bild: CC BY-SA 2.0/ Greg Webb / IAEA

Kein industrielles Sanierungsprojekt ist weltweit so groß, komplex und teuer wie die Stilllegung des zerstörten AKW Fukushima Daiichi. 30 bis 40 Jahre Zeitaufwand gelten als Minimum. Die Kosten könnten auf mehrere Hundert Milliarden Euro steigen. Erst im Oktober musste der Betreiber Tokyo Electric Power Company (Tepco) die Öffnung der Reaktoren auf 2025 und damit um fünf Jahre nach hinten schieben. Tepco-Berater Dale Klein, Ex-Chairman der US-Atomaufsicht, hält jeden Termin ohnehin nur für eine Mutmaßung, solange die benötigten Technologien nicht entwickelt sind. So wird Tepco im April mit einem neuen Roboter erstmals versuchen, den geschmolzenen Brennstoff in Reaktor 1 zu finden.

Seit der Katastrophe hat die Internationale Atomenergiebehörde in Wien (IAEA) schon zwei Mal den Fortgang des langfristigen Stilllegungsplans von Tepco vor Ort begutachtet. Am Dienstag (17.02.2015) endete nach neun Tagen ein dritter Besuch von 15 internationalen IAEA-Experten mit einem positiven Urteil: "Japan hat seit unserer letzten Mission im November/Dezember 2013 signifikante Fortschritte gemacht", fasste Team-Chef Juan Carlos Lentijo den vorläufigen IAEA-Bericht an die japanische Regierung zusammen. Die fortschreitenden Säuberungen hätten in vielen Bereichen des AKW-Geländes zu einer Verringerung der Strahlenwerte "um mehrere Größenordnungen" geführt. Lentijo lobte auch die komplette Bergung der abgebrannten Brennstäbe aus Reaktor 4 sowie die - zumindest schon teilweise gelungene - Umleitung des Grundwassers um die Reaktorgebäude herum.

Verzögerungen beim Wasser

IAEA-Delegationsleiter Juan Carlos Lentijo (Foto: Reuters)
IAEA-Missionschef Lentijo: "Signifikante Fortschritte und riesige Herausforderung"Bild: Reuters

Das IAEA-Team machte zugleich mehr als ein Dutzend Verbesserungsvorschläge, auch wenn sie diplomatisch zurückhaltend formuliert wurden: "Die Situation bleibt sehr komplex und die Beseitigung des Brennstoffes stellt eine riesige langfristige Herausforderung dar", betonte der spanische IAEA-Experte. So müsste Tepco einen integrierten Plan für die Stilllegung der Reaktoren sowie das Abfall-Management entwickeln. Damit spielt die IAEA darauf an, dass Japan weder über Zwischen- noch Endlager für hoch radioaktive Abfälle verfügt. Ein solches Lager würde jedoch für die radioaktiven Abfälle aus der Stilllegung von Fukushima gebraucht.

Außerdem drängt die IAEA auf eine nachhaltige Lösung des Wasserproblems. Täglich fallen in Fukushima weiterhin 300 bis 400 Tonnen kontaminiertes Grund- und Kühlwasser an. Ein im Herbst in Betrieb genommenes Filtersystem säubert täglich 2000 Tonnen strahlendes Wasser von allen radioaktiven Isotopen bis auf Tritium. Bis Mai - und damit zwei Monate später als geplant - will Tepco das gesamte Wasser gereinigt haben. Die IAEA-Experten wiederholten ihren früheren Vorschlag, das gereinigte Wasser in den Pazifik einzuleiten. "Natürlich müsste dies von allen beteiligten Parteien und der Öffentlichkeit akzeptiert werden", betonte Lentijo.

Vor allem die Fischer der Region Fukushima sperren sich jedoch gegen eine Verklappung. Daher will Tepco das Wasser noch jahrelang auf dem AKW-Gelände speichern. Man hofft auf eine neue technische Lösung für die Beseitigung des Tritiums, damit die Fischer ihren Widerstand aufgeben. Dabei hält auch die japanische Atomaufsicht NRA die Einleitung des Wassers ins Meer für die beste Lösung. IAEA-Teamchef Lentijo schloss sich dieser Meinung an: "Tritium hat eine sehr niedrige Giftigkeit und die Auswirkungen auf Menschen sind sehr gering." Das gereinigte Wasser stellte bei der Lagerung zwar nur ein geringes Risiko dar, aber langsam gehe Tepco der Platz für neue Tanks aus. Auch die Überwachung der Speicher verschlinge Ressourcen. Das Ablassen von gereinigtem Kühlwasser in die Umgebung sei eine gängige Praxis bei Atomkraftwerken, betonte Lentijo.

Leben im Container als Dauerzustand?

Die IAEA-Gruppe mahnte auch bessere Lebensbedingungen in der AKW-Umgebung und die sichere Rückkehr der Evakuierten an. Derzeit leben noch 72.500 evakuierte Bewohner der früheren 20-Kilometer-Sperrzone in Container-Siedlungen fernab ihrer verstrahlten Heimat. Immerhin geht die Dekontaminierung der Straßen und Felder in der Ex-Sperrzone weiter. So wollen viele der 7500 Bewohner der Kleinstadt Naraha 18 Kilometer südlich der Atomanlage in ihre Wohnungen und Häuser zurückkehren, obwohl die Strahlung dort 20 Mal höher ist als der Normalwert von einem Milli-Sievert pro Jahr ist. Die bei dem Erdbeben beschädigte Bahnlinie nach Naraha wurde instandgesetzt und inzwischen in Betrieb genommen. Auch ein öffentlicher Bus durchquert jetzt wieder das frühere Sperrgebiet. Im restlichen Japan gerät das Schicksal der Evakuierten aber schon in Vergessenheit. Bei einer Umfrage der Zeitung Asahi am Wochenende gaben 73 Prozent der Befragten zu, dass ihre Aufmerksamkeit für die Fukushima-Katastrophe nachgelassen habe.

Wassertanks auf dem Reaktorgelände (Foto: Reuters)
Radioaktives Wasser aus diesen Tanks soll nach Filterung in den Pazifik geleitet werdenBild: Reuters