Männer schlagen - Fußball und Frauenrechte
17. Juni 2010Der Platz ist improvisiert: gestampfte Erde, mittendrin ein paar Bäume, bunte Plastikhütchen markieren die Tore. Die meisten der rund 25 Mädchen, die hier Fußball spielen, sind barfuß. Carmen Grimm trägt Flip Flops und ein Trikot des englischen Clubs FC Chelsea, in der Hand hält sie ihre Trillerpfeife. Die 19-jährige Berlinerin ist die Trainerin der Fußballmädchen von Natitingou. "Mittwochnachmittags sind hier nicht die Jungs auf dem Platz, sondern die Mädels", sagt sie.
Von Berlin nach Natitingou
Im Sommer 2009 packte Carmen Grimm ihre Koffer und zog in den Nordwesten Benins, nicht weit von der Grenze zu Togo. Möglich wurde die Reise durch das Weltwärts-Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das deutsche Freiwillige an Entwicklungsprojekte vermittelt. Das Projekt, auf das sie sich bewarb, schien wie für Carmen gemacht. Schon in Berlin hatte sie aktiv Fußball gespielt, in Benin trainiert sie nun Mädchen zwischen elf und 16 Jahren.
Eine lokale Nicht-Regierungsorganisation hat das Fußball-Projekt ins Leben gerufen, unterstützt wird es von dem Schalke-Fanclub Wasangari, den ein deutscher Entwicklungshelfer in Benin gegründet hat. Carmen Grimm beschreibt das Ziel so: "Die Mädchen sollen ermutigt werden, in männliche Gebiete einzudringen und auch mal Dinge für sich zu fordern."
Nicht so schüchtern
Das ist keine Selbstverständlichkeit in Benin, wo nach Angaben der Vereinten Nationen nur etwa 70 Prozent aller Mädchen eingeschult werden, gegenüber 90 Prozent der Jungen. "Es stimmt schon, Mädchen sind schüchterner und zurückhaltender als Jungs", sagt auch die elfjährige Priscille. "Auch beim Fußball. Da sind die Mädchen schneller erschöpft, und wenn man mal etwas härter einsteigt, tut ihnen das schnell weh. Den Jungs ist das egal, die wollen vor allem Tore schießen und gewinnen."
Priscille spielt deshalb auch am liebsten gegen Jungs, denn nur hier werde sie richtig gefordert. Für die Trainerin ist das ein Erfolg. "Eltern sind zu mir gekommen und haben mir gesagt, dass sich ihre Mädels total verändert haben, dass sie viel mutiger geworden sind", sagt Carmen Grimm. "Und ich sehe auch, dass die Mädels den Jungs auf jeden Fall mehr die Stirn bieten."
Erst skeptisch, dann neugierig
Die Jungs der Gegend hätten die neue Frauen-Power anfangs etwas skeptisch verfolgt, aber auch Interesse gezeigt. Einige von ihnen hat Carmen Grimm zu ihren Assistenten ernannt. Die spielen dann auch im Training mit. "Das erlaubt den Jungs und Mädels, sich auf einer ganz neuen Ebene kennenzulernen. Denn auf einmal spielen sie zusammen oder auch mal gegeneinander. Aber da können die Mädels eben auch gewinnen", so Grimm.
Der vierzehnjährige Mussibaou ist stolzer Besitzer von richtigen Fußballschuhen und einem echten Vereinstrikot. Mehrmals die Woche trainiert er in einer Jungenmannschaft. Doch der Mittwoch ist bei ihm inzwischen für die Mädchen reserviert. Um hier mitzuspielen, zieht er auch gerne seine Stollenschuhe aus, schließlich soll Chancengleichheit herrschen. "Die täuschen und schlagen Haken, dass einem schwindelig wird", sagt Mussibaou. "Okay, das sind Mädchen, aber sie spielen fast wie Jungs."
Das große Ziel
Im Sommer geht Carmen Grimm zurück nach Berlin, ihre Aufgabe wird dann eine andere Freiwillige übernehmen. Die Trainerin hofft, dass sich ihre "Mädels" auch in Zukunft anstrengen, denn sie hat noch Großes vor. "Mein ganz großes Ziel ist es, eine Auswahl der Mädchen 2011 zur Frauenfußball-WM nach Deutschland einzuladen", sagt sie und lacht. "Und dafür muss eben hart trainiert werden."
Autor: Andreas Becker
Redaktion: Klaudia Pape