OECD-Bildungsbericht
11. September 2012Mit dem "Bildungsbericht 2012" hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OSZE) einen neuen Indikator eingeführt, um Bildung zu messen und Bildungssyteme vergleichbar zu machen. Dieser Indikator nennt sich "intergenerationelle Bildungsmobilität". Konkrete Zahlen verdeutlichen, was damit gemeint ist: In Deutschland erwerben 20 Prozent der jungen Erwachsenen einen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern, während 22 Prozent einen niedrigeren erwerben. Die Werte sind schlechter als der OECD-Durchschnitt, der bei 37 beziehungsweise 13 Prozent liegt.
Diese Zahlen wollte die Staatssekretärin im Bundesbildungsministerium, Cornelia Quennet-Thielen, so nicht gelten lassen. "Der Nationale Bildungsbericht weist andere Zahlen aus", so Quennet-Thielen. Hier lägen die Werte bei rund 40 Prozent für Aufstiege und 13 Prozent bei Abstiegen. Außerdem müsse die Frage gestellt werden, ob denn ein gelernter Optiker weniger wert ist als ein Akademiker.
Friseur - ein Studium?
Bei der Studienanfängerquote liegt Deutschland im Bereich Universitäten und Fachhochschulen bei 42 Prozent. Der OECD-Durchschnitt beträgt 61 Prozent. International an der Spitze liegen Australien, Island und Portugal.Der Streit um die von der OECD als zu niedrig kritisierte Akademikerquote in Deutschland ist nicht neu. Quennet-Thielen warf der OECD in diesem Punkt mangelndes Verständnis für das duale Ausbildungssystem in Deutschland vor. Nicht nur Abitur und Studium seien eine gute Ausbildung. "Das sieht die OECD zwar anders, aber ihre Kritik wird nicht dadurch richtig, dass sie ständig wiederholt wird." Die Nachfrage nach Ausbildungsberatung aus Südeuropa und den Schwellenländern zeige schließlich, dass der deutsche Weg so falsch nicht sein könne. Außerdem sei Studium nicht gleich Studium. In Großbritannien könne man auch Friseur studieren. Und ob das mit einem deutschen Akademiker vergleichbar sei, stellte Quennet-Thielen die rhetorische Frage.
Statistisch betrachtet habe Deutschland zudem rasant aufgeholt. Noch im Jahr 2000 nahm nur jeder Dritte ein Studium auf, im Jahr 2011 sei es nun schon jeder Zweite gewesen.
Die niedrigen Jugendarbeitslosenzahlen seien ein weiterer Beleg für die hohe Effektivität des deutschen Bildungssystems, sagte die Staatssekretärin. Mit 7,9 Prozent hatte Deutschland im Juni 2012 EU-weit die niedrigste Rate der unter 25-Jährigen.
Ja, aber …Als Vertreterin der OECD beharrte Bildungsdirektorin Barbara Ischinger dennoch auf ihrer Kritik: "Wir leben in einer Wissensgesellschaft und brauchen Forscher und Entwickler, weshalb auf Deutschland große Aufgaben zukommen werden." Ischinger verteidigte auch den neuen Mobilitätsindikator und wies darauf hin, dass Deutschland bei seiner nun kritisierten wissenschaftlichen Definition aktiv mitgearbeitet habe. Zudem sei es nun einmal der Anspruch des OECD-Bildungsberichts, die Situation in Deutschland international einzuordnen. Natürlich sei der Grundtenor der Bewertung dabei positiv. "Deutschland hat sich bemüht, aber international ist viel passiert, andere Länder haben schnell oder auch schneller aufgeholt." Ein generelles Länderranking wollte die OECD-Direktorin dann aber auch nicht bekannt geben. Denn hierfür müsse jeder Indikator für sich betrachtet werden.
Das aber ist bei einem 600 Seiten umfassenden Bericht gar nicht so einfach. Johanna Wanka, Mitglied des Präsidiums der Kultusministerkonferenz, übernahm diese Rolle bei der Präsentation des Berichts. Ihrer Ansicht nach seien drei Punkte aus dem Bericht besonders erfreulich.
Kampf um die Statistik
Erstens werde Deutschland explizit beim Indikator frühkindliche Bildung gelobt, so Wanka, wozu auch der Ausbau der Krippen- und Kindertagesstätten gehört; auch dieser Indikator taucht im Bildungsbericht 2012 übrigens zum ersten Mal auf. Deutschland mit seiner langen und internationalen hoch anerkannten Tradition des Kindergartens habe hierbei eine gute Ausgangsposition im internationalen Vergleich, heißt es im Bericht - auch wenn es dann nur für Platz 13 von 38 untersuchten OECD-Ländern reicht.
Zweitens sei der Stellenwert von Bildung enorm gewachsen. Insgesamt zehn Prozent der öffentlichen Ausgaben kämen inzwischen der Bildung zugute. "Das ist eine beachtliche Steigerung gegenüber den fünf bis sechs Prozent vor nur wenigen Jahren", betonte Wanka. Und dabei würde die staatliche Bafög-Studienförderung noch nicht einmal mitgezählt.
Drittens sei die Bildungsbeteiligung gestiegen. Das ließe sich an der gesunkenen Zahl der Schulabbrecher (6,5 Prozent) und dem gewachsenen Anteil an Frauen an den höheren Bildungseinrichtungen (55 Prozent) festmachen.
Lobend erwähnte Barbara Ischinger, dass trotz der nun schon Jahre andauernden Finanzkrise OECD-weit bei Bildungsausgaben nicht gekürzt wurde. Aber auch hier folgte ein Lob mit Kritik: Deutschland habe seine Bildungsausgaben zwar gesteigert, liege aber weiterhin unterhalb des OECD-Durchschnitts.