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Gewalt im Fußball – eine neue Dimension?

Olivia Fritz17. Juli 2012

Rauchbomben in Köln oder Ausschreitungen und Verletzte in Karlsruhe. Rund um den Fußball hat die Gewalt eine neue Qualität erreicht. In Berlin berieten Vertreter des deutschen Fußballs über Sicherheit in Stadien.

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Fans zünden schwarze Rauchbomben in der Kurve im Stadion (Foto: dapd)
Fans zünden schwarze Rauchbomben in der Kurve im Stadion (Foto: dapd)Bild: dapd

Es sind Momente, die selbst eingefleischte Fußballfans schockieren: Brennende Fackeln, die auf das Spielfeld geworfen werden und dort weiter brennen. Schwarzer Rauch, der nicht nur die Sicht, sondern auch den Atem nimmt. Vermummte Krawallmacher, die über Zäune klettern und den Platz stürmen. Auch in den 80er und 90er Jahren gab es Bilder wie diese und Konfrontationen auf dem Anreiseweg. Doch die Qualität der Gewalt hat sich verändert, sagt der Einsatzleiter der Polizei in Köln, Volker Lange. "Heute ist alles durchgeplant und es wird häufiger absichtlich Gewalt angewendet. Früher hat man sich vielleicht mehr mitreißen lassen. Heute ist es eher so, dass man generalstabsmäßig vorgeht und eine richtige Störertaktik entwickelt hat."

Früher galt: "Wenn einer am Boden liegt, ist Schluss"

Von langer Hand geplant war der Überfall von Kölner Gewalttätern auf einen Fanbus mit friedlichen Anhängern von Borussia Mönchengladbach. Der Bus wurde abgedrängt und mit Steinen beworfen, die in den Vereinsfarben angemalt waren – der Fall schockte ganz Deutschland. So etwas hat selbst der dienstälteste Fanbeauftragte der Bundesliga, Rainer Mendel vom 1. FC Köln, noch nicht erlebt. Er steht seit Jahrzehnten in engem Kontakt mit den Fans und kennt deren Regeln. "Es wurde nur geschlagen, es wurde nichts geworfen. Wenn einer am Boden lag, dann war es vorbei. Heute hat das eine andere Qualität bekommen, weil Pyrotechnik zum Einsatz kommt oder Steine oder Flaschen."

Reizthema Pyrotechnik

Ersatzspieler Christian Lell (Berlin) versucht Bengalos auszutreten (Foto: dpa)
Beim Relegationsspiel in Düsseldorf warfen Berliner Fans unzählige Bengalos auf das SpielfeldBild: picture alliance/R. Goldmann

Viele Fans halten den Einsatz der über 1000 Grad heißen Fackeln für ungefährlich, erklärt Professor Harald Lange vom Institut für Fankultur. Da herrsche die These: "Das sorgt für eine ganz besondere südländische Stimmung, das ist schön, das brauchen wir. Diejenigen, die das einsetzen, sind der festen Überzeugung, dass das zur Fußball- und Fankultur dazugehört. Deshalb machen die das."

Pyrotechnik-Experten sehen das völlig anders. Denn nicht nur der Rauch ist gesundheitsgefährlich. Auch die heiße Flamme kann zu schweren Hautverbrennungen führen und Menschen lebenslang entstellen. Böller können Knalltraumen auslösen. In England gibt es solche Probleme kaum noch. Der englische Fußball könnte in dieser Richtung ein Vorbild sein, sagt der Kölner Fanbeauftragte Rainer Mendel. "Dort gibt es eine andere Gesetzgebung. Dort gelten klare Regeln. Jeder weiß, was ihm blüht, wenn er dort erwischt wird. Und deshalb findet so etwas dort nicht statt."

Schnellere Urteile und Reaktionen der Fans

Schnellere Verurteilungen fordert Mendel auch für Deutschland. Hier dauere es manchmal Monate, wenn nicht Jahre, bevor ein überführter Straftäter verurteilt werde. In England spielt auch das Thema Pyrotechnik kaum eine Rolle. "Das mag auch mit der Kultur der Engländer zu tun haben", vermutet Mendel. "Aber andere Länder wie Griechenland, Italien, Österreich, Schweiz sind starke Pyrotechnik-Länder, wo die Entwicklungen ähnlich sind wie in Deutschland."

Im Vergleich zu anderen Fußballländern steht Deutschland mit seinem Gewaltproblem noch gut da, bestätigen Polizei und Fanverbände. Tote gab es glücklicherweise noch nicht zu beklagen. Die Abschaffung der Stehplätze sei aber kein probates Mittel, findet Volker Lange von der Kölner Polizei. "Wir haben eigentlich kein Sicherheitsproblem in Stadien. Wir haben nur ein Problem mit einigen, die es deutlich übertreiben." Und die sollten von anderen Fans in die Pflicht genommen werden. Mit Pfiffen, Sprechchören und Plakaten könne die Masse der Besucher den wenigen Krawallmachern deutlich Paroli bieten, so wie zuletzt in Köln geschehen. "Wir brauchen eine Verhaltensänderung von einigen wenigen. Die machen nämlich den Fußball und die Fußball- und Fankultur kaputt. Einige sehenden Auges."