Grüner Start in den Wahlkampf
16. November 2012Die Tagesordnung ist so vollgepackt, dass der Nachtschlaf auf ein Minimum reduziert wird: Drei Tage und Nächte lang wollen die Grünen auf ihrem Bundesparteitag das Wahljahr 2013 vorbereiten. Der Ort der sogenannten Bundesdelegiertenkonferenz, die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover, ist bewusst gewählt: Bei der Landtagswahl im Januar wollen die Grünen die konservativ-liberale Regierung in Hannover ablösen.
Das soll der Auftakt sein für eine Serie von Wahlerfolgen bis hin zur Bundestagswahl im Herbst. "2013 wollen wir mit der SPD regieren", sagte der Parteivorsitzende Cem Özdemir (im Bild rechts) in seiner Rede - und erteilte damit Spekulationen über ein mögliches schwarz-grünes Bündnis auf Bundesebene eine Absage.
"Wir wollen nicht die CDU, sondern die Stimmen ihrer Wähler", erklärte Özdemir unter dem Beifall der Delegierten. Damit spielte er darauf an, dass die Grünen auch in konservativen Wählerschichten wachsenden Zuspruch genießen. "Wir sind wertkonservativ, aber nicht strukturkonservativ", beschrieb Özdemir den Unterschied zu den Unionsparteien CDU und CSU.
Luft nach oben bei den Wahlergebnissen
Doch für eine Neuauflage der rot-grünen Koalition müssten die Grünen sich stark ins Zeug legen, appellierte Özdemir an die gut 800 Delegierten, und dem politischen Gegner "einheizen, dass es kracht". Als Wunschergebnis stehen 15 Prozent im Raum - deutlich mehr als die 10,7 Prozent bei der letzten Bundestagswahl 2009. "Wir Grüne müssen aber auch stark sein, um die Sozialdemokraten von dem einen oder anderen Irrsinn abzuhalten."
Die SPD müsse ebenfalls noch eine Schippe drauflegen, kommentierte der Parteivorsitzende die schwachen Umfragewerte der SPD, andernfalls könne die Ablösung der Regierung Merkel nicht gelingen. Zuletzt hatten SPD und Grüne von 1998 bis 2005 im Bund zusammen regiert.
Zuspruch für angeschlagene Claudia Roth
Während der gut aufgelegte Cem Özdemir die Basis mit seiner engagierten Rede auf das Wahljahr einschwor, saß seine Co-Vorsitzende Claudia Roth mit ernster Miene im Saal, statt der üblichen farbenfrohen Kleidung trug sie schwarz. Roth wirkte angespannt und konnte sich nur selten zu einem Lächeln durchringen. Die 57-jährige Parteilinke ist im Moment nicht gut auf die Basis zu sprechen, die sie bei der Urwahl für die Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl durchfallen ließ.
Überraschend landete die langjährige Parteivorsitzende mit gut 26 Prozent der Stimmen weit abgeschlagen hinter dem beliebten Fraktionsvorsitzenden Jürgen Trittin (2.v.r. im Artikelbild) und der Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (links im Artikelbild), die als "das perfekte Wahlkampfpaar" umschwärmt werden. Sogar die umstrittene Fraktionschefin Renate Künast erhielt mehr Stimmen als Roth. "Eine herbe Klatsche", kommentierte sie zerknirscht - und erwog zeitweilig ihren Rückzug vom Parteivorsitz.
Nach großem Zuspruch aus der Partei will sie sich nun aber doch für weitere zwei Jahre wählen lassen. Beobachter rechnen mit einem guten Ergebnis für Roth bei der Vorstandswahl am Samstag - quasi als Trost für die erlittene Schmach bei der Urwahl.