"Sie hängen von Herrn Putin ab"
21. April 2022In der Debatte im französischen Fernsehen haben sich Präsident Emmanuel Macron und seine rechtspopulistische Herausforderin Marine Le Pen heftig angegriffen. Le Pen stellte sich als Anwältin der einfachen Franzosen dar. Der Mitte-Politiker Macron, der sich um eine zweite Amtszeit bewirbt, räumte auch Fehler und Versäumnisse in der zurückliegenden Amtszeit ein.
Bei der Kaufkraft - einer permanenten Sorge der Franzosen und dem Schlüsselthema im Wahlkampf - legten Macron und Le Pen konträre Konzepte vor. Zum Auftakt der mit Spannung erwarteten einzigen Fernsehdebatte stellte Macron Erhöhungen der Rente und des Mindestlohns sowie ein Festhalten an der Deckelung der Preise von Gas und Strom in Aussicht. Außerdem gelte es, die Arbeitslosigkeit weiter zu senken, ein eigener Lohn sei die beste Stärkung der Kaufkraft.
Le Pen schlug das Senken der Mehrwertsteuer auf Energie sowie einen Wegfall der Steuern auf 100 Grundprodukte des täglichen Bedarfs vor. Beim Streitthema Rente, um das in Frankreich immer wieder gerungen wird, pochte Le Pen auf einen Renteneintritt mit 60 bis 62 Jahren.
Le Pen verteidigt russischen Kredit
Macron warf seiner rechten Widersacherin vor, sich von Russland abhängig gemacht zu machen. "Sie hängen von der russischen Macht und Sie hängen von Herrn Putin ab. Sie reden nicht mit anderen Führungspersönlichkeiten, Sie reden mit ihrem Bankier, wenn Sie von Russland reden", warf Macron Le Pen an den Kopf. Er bezog sich dabei auf einen Kredit, den Le Pen 2014 von einer tschechisch-russischen Bank aufnahm.
Le Pen verteidigte sich damit, dass französische Banken ihr eine solche Finanzhilfe nicht genehmigen wollten. "Finden Sie das nicht skandalös?", fragte sie und sprach von einem demokratischen Defizit der Banken.
Den Einmarsch Russlands in die Ukraine verurteilte Le Pen als klare Verletzung internationalen Rechts. Zugleich will sie sich für eine Annäherung zwischen der NATO und Russland einsetzen, wenn der Ukraine-Krieg beendet ist und ein Friedensvertrag steht.
Macron: "Ich glaube an das deutsch-französische Paar"
Macron betonte die Verankerung Frankreichs in der Europäischen Union und legte ein Bekenntnis zur deutsch-französischen Kooperation ab. "Ich glaube an Europa und ich glaube an das französisch-deutsche Paar", sagte er. Der Präsident warf seiner Herausforderin vor, wie bei ihrer Präsidentschaftskandidatur 2017 aus der EU austreten zu wollen. Le Pen konterte, würde sie aussteigen wollen, würde sie es sagen. "Ich möchte in der Europäischen Union bleiben." Allerdings wolle sie die EU verändern. Sie setzt sich unter anderem dafür ein, dass französisches Recht Vorrecht vor EU-Recht haben soll.
In der Debatte um die künftige Klimapolitik warf Macron Le Pen vor, eine "Klimaskeptikerin" zu sein, was diese entschieden zurückwies. Sie wolle die Emissionen unter anderem durch "Wirtschaftspatriotismus" bekämpfen, indem Frankreich etwa mehr Obst und Gemüse produzieren als importieren solle. Umgekehrt warf Le Pen Macron vor, ein "Klimaheuchler" zu sein, der eine "Umweltpolitik der Strafen" betreibe.
Streit über Kopftuchverbot
Le Pen bekräftigte außerdem ihre Forderung nach einem Kopftuchverbot im öffentlichen Raum. "Es ist eine Uniform, die die Islamisten aufzwingen", sagte sie. "Wir müssen alle diese Frauen befreien", fügte sie hinzu.
Macron warf ihr vor, auf diese Weise Millionen von Menschen aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. "Sie riskieren einen Bürgerkrieg", meinte Macron. "Sie wollen, dass Frankreich, das Land der Aufklärung, das erste Land der Welt wird, das religiöse Zeichen im öffentlichen Raum verbieten will - das ist doch Unsinn", sagte er.
Am Sonntag treffen Macron und Le Pen in der Stichwahl aufeinander. Umfragen zufolge kommt Macron derzeit auf 55 bis 56,5 Prozent, etwa zehn Punkte weniger als vor fünf Jahren.
gri/wa (dpa, afp, rtr)