Ihr letzter Tanz: Andrea Petkovic nimmt Abschied
31. August 2022"Ich habe der Sportart alles gegeben, was ich geben konnte", sagte Andrea Petkovic mit brüchiger Stimme. Gerade begann wohl zu ihr durchzudringen, dass ihre lange Karriere mit der Erstrunden-Niederlage gegen die Schweizerin Belinda Bencic nun wirklich vorbei ist. Immer wieder schossen Petkovic die Tränen in die Augen.
"Ich liebe das Spiel noch immer und spüre weiter eine enorme Leidenschaft", sagte sie. Dennoch wirkte die ehemalige Nummer neun der Weltrangliste am Ende eines Lebensabschnitts, der 2002 mit der Qualifikations-Teilnahme in Hamburg begonnen hatte und nun in ihrer Wahlheimat New York ein Ende fand, mit sich im Reinen.
Zweiter kleiner Abschied in Europa?
"Ich hatte das Glück mich zu verletzen, als ich am Höhepunkt war" - eine Sportlerin, die so etwas über sich selbst sagt, ist alles andere als gewöhnlich. Selbstbewusst und reflektiert navigiert Andrea Petkovic schon seit Jahren durch den Tenniszirkus, den sie als eine der besten deutschen Spielerinnen gerne auch kritisch beleuchtet. Diese Verletzung damals, im Jahr 2012, habe es ihr ermöglicht, die vorherigen Turniersiege und Erfolge bewusst wahrzunehmen und zu genießen, anstatt nur nach dem nächsten Erfolg zu streben.
Vor dem Beginn der US Open hatte die 34-Jährige ihr Karriereende angekündigt. Der Hashtag #thelastdance, den sie unter einem Beitrag beim sozialen Netzwerk Instagram schrieb, stellte das Ganze unter ein Motto. Das Grand-Slam-Turnier in New York ist nun für Petkovic früh beendet, die Karriere vielleicht noch nicht ganz endgültig. Auf Instagram hatte sie nämlich ebenfalls angekündigt, nach den US Open vielleicht noch ein weiteres "kleineres Turnier in Europa" zu spielen, "um näher bei Familie und Freunden zu sein".
Tennis als Aufstiegschance
Petkovic, die inzwischen einen Wohnsitz in New York hat, war mehr als ein Jahrzehnt lang eine der prägenden Figuren im deutschen Tennis. In die Wiege gelegt wurde ihr das wahrlich nicht. Aufgrund des Bosnien-Krieges kam die in Tuzla geborene "Petko" noch als Baby mit ihrer Familie nach Deutschland, in die Nähe von Darmstadt. In den Jahren danach gelang der soziale Aufstieg - aus einfachen Verhältnissen zu bescheidenem Wohlstand.
Der damit verbundene Ehrgeiz und das "Dazu-gehören-wollen" war für die junge Andrea Petkovic eine wichtige Triebfeder: "Ich war eine Streberin in der Schule", erzählte sie später in einem Interview: "Und zwar im wahrsten Sinne. Mir ist nichts zugeflogen, sondern ich habe mich auf den Hosenboden gesetzt."
Das zeichnete sie auch auf dem Tennisplatz aus. Mit ihrem Vater, einem Tennistrainer, begann sie im Alter von sechs Jahren zu trainieren. Die paar Prozent an Talent, die ihr im Vergleich zu anderen vielleicht fehlten, machte sie durch hartes Training wett. Mit 17 Jahren gewann sie ihr erstes internationales Turnier, mit 21 den ersten von insgesamt sieben WTA-Titeln. 2014 erreichte sie bei den French Open das Halbfinale - ihr bestes Ergebnis bei einem Grand-Slam-Turnier. Zwischen diesen Erfolgen wurde sie aber auch immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen. Wo andere jedoch im Jammertal versinken, entdeckte "Petko" sich selbst.
Darüber hinaus hat sie viele Interessen abseits des Platzes. Sie veröffentlicht Zeitungskolumnen und ein Buch. Und sie steht als Sportmoderatorin vor der Kamera. Mit ihrer Strahlkraft ist Petkovic Vorbild vieler junger Spielerinnen. Das angekündigte Ende ihrer Karriere sei deshalb ein "großer Verlust für das deutsche Tennis", betont Bundestrainerin Barbara Rittner. "Es fällt mir sehr schwer loszulassen", sagt Petkovic zum anstehenden Karriereende. Doch eine interessante Zukunft ohne Tennis sollte einer klugen Frau mit vielen Talenten in jedem Fall bevorstehen.