Die Neue im Kabinett
30. Oktober 2008Sie gilt als eine der großen Nachwuchshoffnungen der CSU: Die 43-Jährige aus dem oberbayerischen Feldkirchen-Westerham. Der neue CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sagte am Donnerstag (30.10.2008) nach seiner Entscheidung, sie als seine Nachfolgerin nach Berlin zu schicken: "Ilse Aigner hat eine schnelle Auffassungsgabe. Sie wird das schon machen."
Der Karrieresprung kommt nicht unerwartet. In der CSU ist Aigner schon seit längerem für höhere Aufgaben im Gespräch. Bereits vor einem Jahr wurde sie als potenzielle Generalsekretärin der Partei gehandelt, musste das Feld aber Christine Haderthauer überlassen, einer Vertrauten des damaligen CSU-Vorsitzenden Erwin Huber.
Bisheriger Schwerpunkt: die Bildungspolitik
Eigentlich gilt die gelernte Radio- und Fernsehtechnikerin als ausgemachte Expertin in der Bildungs- und Forschungspolitik. Seit 1998 gehört sie dem Bundestag an. Sie ist Mitglied im Bildungs- und Forschungsausschuss, seit 2005 bildungs- und forschungspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Einen Namen machte sich Aigner durch ihren Einsatz bei der Änderung des Gesetzes zur Forschung mit embryonalen Stammzellen.
Zusammen mit dem SPD-Forschungspolitiker René Röspel hatte Aigner gegen Widerstand aus der eigenen Partei einen fraktionsübergreifenden Antrag zur so genannten Stichtagsregelung erarbeitet. Dieser wurde Mitte April 2008 mit klarer Mehrheit vom Bundestag verabschiedet.
Deutschen Forschern wurde damit erlaubt, künftig auch mit embryonalen Stammzellen zu forschen, die vor dem 1. Mai 2007 im Ausland gewonnen wurden. Bislang war nur die Forschung mit vor 2002 gewonnenen Stammzellen erlaubt.
Aigners Sprung ins Haifischbecken
Trotz ihres bildungs- und forschungspolitischen Schwerpunktes ist Ilse Aigner die Agrar- und Verbraucherpolitik nicht fremd. Von 2002 bis 2005 war sie im Haushaltsausschuss des Bundestages Berichterstatterin für den Etat für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz. Auch ist ihr Wahlkreis eine landwirtschaftlich geprägte Region.
Die FDP will der Seiteneinsteigerin trotz allem keine Schonfrist gewähren. Die Bundestagsfraktion erklärte am Donnerstag, im November stünden wichtige Entscheidungen zur Kürzung von EU-Agrargeldern an. In Bayern, wo sich die CSU von ihrer Schlappe bei der Landtagswahl im September erholen will, zählen die Bauern seit jeher zur wichtigsten Klientel der Partei.
Die Grünen sehen die Ernennung Aigners mit großer Sorge: Sie gilt als klare Befürworterin von Gentechnik in der Landwirtschaft.
Der 43-Jährigen, die als offen, ehrgeizig und gut vernetzt gilt, dürfte bei allem zu erwartenden Widerstand das Motto aus ihrer Kindheit helfen: "Ich beiß mich durch". "In einem Viermädelhaus", so Aigner auf ihrer Homepage, "wurde Kameradschaft, aber auch Durchsetzungsvermögen groß geschrieben". Und, den Humor dürfte die umtriebige Politikerin im Haifischbecken der Agrarpolitik auch nicht verlieren: Sie ist Vize-Präsidentin des Bundes Deutscher Karneval in Oberbayern.