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Islam-Kritiker wird neuer EU-Ratspräsident

Bernd Riegert1. Juli 2016

Die Slowakei verfolgt in der Flüchtlingspolitik eine knallharte Linie. Als EU-Vorsitzender soll sie sechs Monate vermitteln. Die Fortschritte werden gering sein. Und dann auch noch der Brexit! Bernd Riegert aus Brüssel.

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Slowakei Enthüllung Logo EU Slowakische Ratspräsidentschaft
Außenminister Lajcak stellt das Logo der Ratspräsidentschaft vor: Es wirkt ein wenig zornigBild: Getty Images/AFP/S. Kubani

In der Slowakei sind sich alle Parteien im Parlament einig: Flüchtlinge und Asylbewerber werden nicht aufgenommen. Muslime sind in dem Land mit 5,5 Millionen Einwohnern unerwünscht. Regierungschef Robert Fico, Sozialdemokrat, hatte im Wahlkampf versprochen, keine muslimische Gemeinde in der Slowakei zu dulden. "Der Islam hat bei uns keinen Platz", sagte er. Trotz dieser Haltung, die den Beschlüssen und Einstellungen der meisten EU-Mitgliedsländer widerspricht, hat Robert Fico am Donnerstag in Bratislava noch einmal angekündigt, er wolle ein ehrlicher und neutraler Makler für die von Krisen geschüttelte EU sein. Fico übernimmt für sechs Monate die Präsidentschaft in den Ministerräten der Union.

Fortschritte bei der Reform der Asylregeln in der EU und bei der gerechten Verteilung von Flüchtlingen in der EU werden Fico von deutscher Seite zumindest kaum zugetraut, meinen EU-Diplomaten in Brüssel. Die Slowakei klagt vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gegen einen Verteilungsschlüssel für Aslybewerber, den die Mitgliedsstaaten im letzten Jahr mit Mehrheit beschlossen hatten. Trotzdem ist der EU-Botschafter der Slowakei, Peter Javorcik, überzeugt, dass er eine "positive Agenda" für die Migrationspolitik in den nächsten sechs Monaten zurecht zimmern kann. Javorcik sagte in Brüssel, man werde über den gemeinsamen Schutz der Außengrenzen Beschlüsse fassen und die gemeinsame Küstenwache ins Leben rufen.

Slowakei Burg in Bratislawa - Flaggen von EU und Slowakei
Wahrzeichen von Bratislava: Die trutzige PressburgBild: Getty Images/AFP/S. Kubani

Asylpolitik und noch eine Volksabstimmung

"Die Fragmentierung der EU muss umgekehrt werden", forderte auch Regierungschef Fico bei einem Besuch in Brüssel im Juni. Fortschritte bei einer Reform der sogenannten "Dublin-Regeln" zur Aufnahme und Verteilung von Asylsuchenden sieht er weniger. Die EU-Kommission hat entsprechende Vorschläge auf den Tisch gelegt, die unter slowakischer Präsidentschaft wohl kaum verhandelt werden dürften, deutete Botschafter Javorcik an. Die Slowakei sieht sich mit ihrer ablehnenden Haltung in guter Gesellschaft mit Tschechien, Polen und Ungarn. Die Slowakei hatte im Jahr 2015 genau acht Asylbewerber anerkannt und untergebracht. Und dabei soll es nach dem Willen von Premier Fico auch bleiben.

Die Slowakei ist wirtschaftlich stabil, wenn auch die Arbeitslosigkeit relativ hoch ist. Die Wirtschaft wächst. Das Haushaltdefizit ist unter Kontrolle. Die Zuschüsse aus dem gemeinsamen EU-Haushalt fließen auch. Mit über 92 Prozent haben die Slowaken der EU-Mitgliedschaft in einer Volksabstimmung zugestimmt. Das war im Jahr 2003 kurz vor dem Beitritt. Heute wäre die Zustimmungsrate wesentlich geringer. Botschafter Javorcik sagte, im ganzen Land sei eine wachsende EU-Skepsis zu spüren. Nach Meinungsumfragen ist die Zustimmung für die EU in der Slowakei höher als in vielen anderen Mitgliedsländern, aber die rechtsextreme "Volkspartei Unsere Slowakei", die im März mit acht Prozent der Stimmen ins Parlament einzog, sägt bereits an dem Ast. Sie sammelt Unterschriften für ein Referendum zum Austritt aus der EU.

Belgien EU-Gipfel in Brüssel - Robert Fico, Premierminister Slowakei
Premier Fico beim Brexit-Gipfel: Klage gegen die Kollegen vor dem Europäischen GerichtshofBild: Reuters/P. Rossignol

Brexit wirft seine Schatten

Nicht nur die slowakische Innenpolitik, sondern vor allem der Brexit werden die Ratspräsidentschaft überschatten. "Wir haben diese Präsidentschaft drei oder vier Jahre vorbereitet. Wir konnten ja nicht ahnen, dass nach der Flüchtlingskrise nun auch der Austritt der Briten dazu kommt", beschreibt der slowakische Botschafter die Arbeitsbelastung für das eher kleine Mitgliedsland.

Im September werden die Slowaken einen Sondergipfel der 27 EU-Staaten ohne Großbritannien ausrichten. Dann soll nachgedacht werden über die Zukunft der Gemeinschaft. Im Verbund der Visegrad-Staaten, also mit Polen, Tschechien und Ungarn, ist die Slowakei schon einmal vorgeprescht: Die EU müsse sich grundlegend ändern, forderte der slowakische Regierungschef Robert Fico. "Man kann nicht an einer Einwanderungs- und Wirtschaftspolitik festhalten, die von der Mehrheit der Europäer abgelehnt wird", sagt er vor einigen Tagen in einem Ausschuss des slowakischen Parlaments in Bratislava.

Paramilitärs wollen Slowakei verteidigen

Geringe Erwartungen

Im Wahlkampf im Februar hatte er bei ungelöster Flüchtlingskrise schon den Untergang der EU während der slowakischen Präsidentschaft vorhergesehen. Nach neutraler Vermittlung hört sich das nicht an. Jon Lang, Politikberater im Expertennetzwerk "Global Risks Insights", glaubt nicht, dass die Slowaken nationale und europäische Bereiche wirklich trennen können. Sie würden auf jeden Fall als unerfahrene Ratspräsidenten viel weniger professionell reagieren als die Niederländer, die sie ablösen. Ein wirklicher Plan zu Reformen nach dem Brexit soll auch erst im März nächsten Jahres vorliegen, wenn die Römischen Verträge zur Gründung der Vorläufer der EU 60 Jahre alt werden. Dann hätte Malta als nächster Ratspräsident diese undankbare Aufgabe am Hals.

Die Slowaken möchten als Präsidenten wenigstens auf wirtschaftpolitischen Feldern Erfolge erzielen. Sie wollen sich für mehr Investitionen einsetzen, um das Wachstum vor allem in der Euro-Zone anzukurbeln. Die Zusammenarbeit im digitalen Binnenmarkt soll verbessert werden. Das Handelsabkommen mit Kanada (CETA) soll im Oktober feierlich unterzeichnet werden. Die Verhandlungen mit den USA über TTIP sollen trotz aller Kritik weiter voran getrieben werden. Am Ende des Jahres dann steht noch ein dicker Brocken auf der Tagesordnung: Soll China den Status einer funktionierenden Marktwirtschaft nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) erhalten oder nicht? Darüber sind die EU-Mitgliedsstaaten zerstritten.