Wie Jobbörsen Geflüchtete und Unternehmen zusammenbringen
27. November 2024Latifa hat nichts dagegen, interviewt zu werden. Die afghanische IT-Professorin macht aber gleich klar, dass sie nicht viel Gutes über die Arbeitssuche in Deutschland zu berichten habe und ihren Nachnamen nicht nennen wolle. Latifa hat an der Technischen Universität in Berlin studiert und acht Jahre Erfahrung als Systemadministratorin. Hinzu kommen einige Jahre Berufserfahrung an einer Uni in Afghanistan. Geholfen hat ihr das alles nur wenig bei der Jobsuche in Deutschland. "Ich bin eine qualifizierte Person und habe genug Erfahrung", sagt sie der DW und wirkt frustriert. "Ich habe meinen Master-Abschluss gemacht, mein Fachgebiet auf Daten- und Big-Data-Wissenschaften gewechselt. Ich bin eine flexible Person. Ich kann Herausforderungen meistern und mit ihnen umgehen."
Nachdem sie bei ihrer Rückkehr nach Deutschland zunächst keine Arbeit gefunden hatte, absolvierte Latifa zusätzlich einen Bootcamp-Kurs an einer Universität in Paris, um sich mit den neuesten IT-Tools auf dem Laufenden zu halten und ein weiteres Diplom zu erwerben. "Danach habe ich mich wieder beworben, und wieder: keine Veränderung", sagt sie. "Ich wollte nicht zu Hause sitzen und nur Bewerbungen schreiben. Ich wollte zeigen, dass ich auf dem neuesten Stand und aktiv bin – also habe ich an verschiedenen Projekten gearbeitet."
All dies ist der Grund, warum Latifa hier ist; bei der Job- und Karrieremesse für Geflüchtete in Berlin. Die Messe wird gemeinsam organisiert von der weltweiten Job-Website Indeed und dem deutschen Zweig von Tent, einem Netzwerkdienst, der speziell Einwanderern und Geflüchteten bei der Arbeitssuche hilft. Latifa ist hier, um herauszufinden, was sie tun muss, um doch noch einen guten Job zu finden. "Ich möchte wissen: Was ist die Regel in Ihren Unternehmen? Seit zwei Jahren habe ich nicht einmal eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bekommen", sagt sie enttäuscht. "Einerseits sagen sie, du musst arbeiten. Andererseits gibt es keine Gelegenheit dazu für uns."
Job-Messe als Start in eine Berufskarriere?
Mit etwas Glück könnte die Messe helfen. Personalvermittler von mehr als 40 großen Arbeitgebern aus verschiedenen Branchen sind vertreten. Darunter DHL, McDonald's, IKEA und Siemens Energy. Es gibt Dolmetscher vor Ort, einen Bereich, in dem Freiwillige den Menschen beim Erstellen von Lebensläufen helfen, und sogar einen Raum für Einzelgespräche.
Die Erfahrung zeigt, dass derartige Messen, wo Interessenten direkt mit Personalvermittlern sprechen können, hilfreich sein können. Ein Personalvermittler eines großen Logistikunternehmens erzählt, ein Problem sei, dass Lebensläufe oft nicht spezifisch genug seien. Für die Unternehmen sei es dann schwierig, solche Anfragen zu bearbeiten. Auf der Messe, sagt der Personalvermittler, hätten sie mehrere Personen gefunden, die für offene Stellen geeignet seien.
Christopher Lorenz ist Unternehmensberater bei Adecco, einer der größten Personalvermittlungsagenturen in Europa. Das Unternehmen ist auf der Messe vertreten. Er sagt, viele Unternehmen hätten Bedenken, wenn die Bewerber nicht gut Deutsch sprächen. "Bei vielen Unternehmen gibt es eine gewisse Angst", sagt er DW. "Sie machen sich Sorgen um Versicherungsfragen, darum, was passiert, wenn Anweisungen nicht richtig verstanden werden. Was ist, wenn es Unfälle gibt?"
Christopher Lorenz ist optimistisch: "Man muss nur mehr Arbeit investieren, um die Kommunikation mit solchen Unternehmen aufzubauen", sagt er. "Aber Sie wissen, wie es ist - alles, was neu in Deutschland ist, ist anfangs schwierig." Adecco, das mit der Bundesagentur für Arbeit zusammenarbeitet, hat sich zum Ziel gesetzt, bis Ende 2025 Arbeit für 10.000 Geflüchtete zu finden. Für 6000 habe er schon einen Arbeitsplatz, erklärt Lorenz.
Deutscher Arbeitsmarkt ist auf Zuwanderung angewiesen
Der deutsche Arbeitsmarkt ist einer aktuellen Studie zufolge langfristig jedes Jahr auf Zuwanderer "in substantiellen Umfang" angewiesen. Um ein ausreichendes Angebot zur Verfügung zu haben, wären bis 2040 jährlich rund 288.000 internationale Arbeitskräfte erforderlich, wie eine Analyse im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ergibt. Aktuell falle die Erwerbsmigration erheblich geringer aus als benötigt.
Hemmnisse müssten abgebaut und Bedingungen für Migranten verbessert werden, sagt die Stiftungsexpertin für Migration, Susanne Schultz, bei der Präsentation der Studie. Deutschland müsse für ausländische Arbeitnehmer "attraktiver werden" könne sich ein Weiter-so nicht leisten.
Doch Deutschland hat den Ruf, bei Neuanstellungen sehr bürokratisch zu sein. Zwar versuchen sowohl die Regierung als auch die Unternehmen, dies zu ändern. Doch das dauert. Selbst der Einbruch bei der deutschen Wirtschaft scheint die Nachfrage nach Arbeitskräften nur wenig gedämpft zu haben. Der Bedarf bleibt riesig.
In diesem Jahr hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) berufsbezogene Sprachkurse eingeführt – bei denen Lehrer mit Unternehmen sprechen, um herauszufinden, in welchen Bereichen Sprachkenntnisse besonders nachgefragt sind. So könne man Deutschkurse an den tatsächlichen Bedarf und spezifische Erfordernisse anpassen.
Das Logistikunternehmen DHL zum Beispiel hat eine spezielle Sprach-App für seine Mitarbeiter entwickelt. Adecco hat eigene Übersetzungstools und kostenlose berufsbezogene Sprachkurse, die auch online durchgeführt werden können. Das spart Zeit. "Im Bereich Buchhaltung und Bürokommunikation bieten wir Sprachkurse an, in denen die Leute 'Büro-Deutsch' lernen können", sagt Lorenz. "Je mehr die Leute miteinander sprechen können, desto einfacher wird es für alle."
Ein Hindernis, das in Deutschland schwer zu überwinden ist, ist die Anerkennung ausländischer Qualifikationen - insbesondere in bestimmten Sektoren. Ausländische Fachkräfte wie Elektriker haben es beispielsweise sehr schwer im deutschen Arbeitsmarkt; auch weil die deutschen Branchenverbände in diesen Bereichen ihre eigenen Arbeiter schützen wollen.
Es gibt eine gewisse Spannung zwischen Behörden und Branchenverbänden sowie den Unternehmen selbst darüber, wer für was zuständig sein sollte - obwohl alle Seiten die Notwendigkeit erkennen, offener zu sein.
Der demografische Wandel
Christian Schmidt, Direktor von Tent Deutschland, kennt die Klagen der Unternehmer. Sie suchten nach neuen Wegen, beschwerten sich aber weiter über das "deutsche System". "Es gibt strukturelle und administrative Barrieren. Die Prozesse sind zu langsam, aber der entscheidende Faktor ist, dass die Personalabteilungen der Unternehmen einen Schritt voraus sein müssen. Sie können keinen Business-as-usual-Ansatz verfolgen, wenn sie mehr Geflüchtete in ihre Belegschaften integrieren wollen."
Hinzu kommt der beispiellose demografischen Wandel in Deutschland. Bis 2036 werden voraussichtlich etwa 13 Millionen Menschen in Deutschland aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden – das sind bis zu 30 Prozent. Gleichzeitig gibt es eine hohe Zahl von Migranten und Geflüchteten, die nur unzureichend oder gar nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind.
"Unternehmen müssen ihre Prozesse ändern", sagt Schmidt. "Und daran arbeiten wir mit ihnen, wie zum Beispiel mit unserem Partner Indeed - damit unvollständige Lebensläufe oder Bewerbungen nicht sofort abgelehnt werden oder die aufgeführten Jobanforderungen tatsächlich mit dem übereinstimmen, was für die Ausübung des Jobs erforderlich ist. Flüchtlinge schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen, ist ein Imperativ - für Unternehmen, für die Wirtschaft, für die Gesellschaft, für Flüchtlinge."
Was Latifa betrifft, so wünscht sie sich vor allem eine bessere "Schnittstelle" zwischen potenziellen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. "Wir können für alles Lösungen finden", sagt sie. "Wenn jemand wie ich hier ist - bin ich qualifiziert? Ja. Habe ich Erfahrung? Ja. Brauchen Sie uns zum Arbeiten? Ja. Also lasst uns Lösungen finden!"
Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.