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Der Klang der Fünften Jahreszeit

8. Februar 2018

In Rio tanzt man Samba, in New Orleans zelebriert man den Mardi Gras, in Windhoek und im Rheinland dominieren kölsche Töne: Rund um den Globus feiern die Narren Karneval mit eigenen Ritualen und vor allem viel Musik.

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Singende weibliche Jecken in (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Hätte die katholische Kirche im 4. Jahrhundert nicht die 40-tägige Fastenzeit vor Ostern eingeführt, gäbe es heute keinen Karneval. Plötzlich sollten die Christen allen weltlichen Genüssen entsagen. Das beschwor nahezu eine Fünfte Jahreszeit herauf, in der sie mit Musik und Gesang noch mal ausschweifend feiern konnten, bevor sie dem Fleisch ade sagen mussten. Nichts anders bedeutet nämlich die Übersetzung des Wortes "Carne vale" aus dem Lateinischen. Mit dem strengen Fasten nehmen es heutzutage nur noch wenige genau, aber der Karneval hat sich weltweit etabliert.

Hüftschwung und Trio Electrico

In Brasiliens Karnevalshochburg Rio de Janeiro steht die Fünfte Jahreszeit ganz im Zeichen der hüftschwingenden Samba. Das ganze Jahr lang bereiten sich die zwölf besten Sambaschulen der Stadt auf die Parade vor. Aufwändig gestaltete Festwagen ziehen auf dem Sambodromo, einem extra dafür gebauten Betonbau, an den Zuschauertribünen vorbei. Zum Rhythmus der Batuque-Trommel schwingen langbeinige Schönheiten in knappen Glitzerkostümen die Hüften und wetteifern mit ihrer "escola" um die Ehre des Meistertitels.

Tanzerin auf dem Sambadrome Foto: REUTERS/Pilar Olivares
Rios Samba-Tänzerinnen sind weltberühmtBild: Reuters

Auch im Nordosten Brasiliens wird Karneval groß geschrieben. Im malerischen Kolonialstädtchen Olinda und in der Nachbarstadt Recife treten überall auf den Straßen Bands und Tänzer auf, und in Salvador da Bahia sind Umzugswagen, sogenannte Trio Eletricos" die Attraktion: massive Bühnen, die sich die Straßen herunter bewegen.

Gefeierte Sänger wie zum Beispiel Daniela Mercury oder Ivete Sangalo geben dort ihre Hits zum Besten, während die ausgelassenen Fans ihnen singend und tanzend folgen. Die "musica popular brasileira" steht dabei im Mittelpunkt der Party.

Weltkulturerbe und Mardi Gras

Der Karneval im kolumbianischen Barranquilla hat es 2003 sogar auf die Weltkulturerbe-Liste der UNESCO geschafft. Die Hafenstadt wartet während der tollen Tage mit allem auf, was den Karneval ausmacht: Festwagenumzüge, Schönheitsköniginwahl, Bälle und Musikwettkämpfe. Zahlreiche Formationen zelebrieren beim Umzug typische Tänze der Karibikküste: neben Jalao, Chandé, Porro, Bullerengue, El Pajarito, Merecumbé, Guaracha und Vallenato dominiert allen voran die Cumbia, bei dem die Frau als "Verführerin" und der Mann als "galanter Eroberer" stilisiert werden.

Tänzerin und Trommler beim Mardi Gras in New Orleans Foto. EPA/ Dan Anderson
Zum Mardi Gras im French Quarter kommen Touristen aus aller WeltBild: picture-alliance/dpa

Genau so wichtig ist die Karnevalsmusik 2600 km weiter auf der nördlichen Halbkugel. Auch in den Südstaaten der USA gibt es farbenprächtige Umzüge. In New Orleans feiern die vermummten Narren traditionell am Mardi Gras, dem fetten Dienstag. Zu hören sind dann Kapellen mit dem typischen "Cajun- und "Zydeco-Sound", einer Mischung aus Country, Blues und Rock. Und in Louis "Satchmo" Armstrongs Heimatstadt dürfen natürlich auch Jazz und Soul nicht fehlen.

Würfelspieler und Schnapsleichen

Beim Sprung über den großen Teich landet man in Europa, wo alles angefangen hat mit dem Karneval – und so wie heute stand die Welt in der Fünften Jahreszeit auch schon im Mittelalter auf dem Kopf. Deftig und derb kamen Musikanten daher, um all das zu singen und zu sagen, was sie sonst nicht durften. Die "Würfelspielermesse", das Officium Lusorum, aus der berühmten Carmina Burana parodiert heilige Texte und zeugt ebenso davon wie das berühmtes Lied "Oh du lieber Augustin" des gleichnamigen österreichischen Bänkelsängers. Der Legende nach schlief er in der Gosse seinen Rausch aus. Man schrieb das Jahr 1679 und in Wien herrschte die Pest. Die Stadtdiener hielten ihn für tot, und so wurde die Schnapsleiche zusammen mit den Pesttoten in ein Massengrab geworfen. Am folgenden Tag spielte Augustin lautstark auf seinem Dudelsack, bis Retter ihn aus der Grube zogen.

Schweizer Pfeifer und rheinische Jecken

Morgenstraich in Basel Foto: Patrick Seeger dpa/lsw
Ernste Angelegenheit: die Basler FasnachtBild: picture-alliance/dpa

Im deutschsprachigen Raum firmiert der Karneval unter unterschiedlichen Namen, und Fasching, Fastnacht und Fastelovend werden auch ganz anders gefeiert. In Basel in der Schweiz etwa findet er seit dem 16. Jahrhundert erst am Montag nach Aschermittwoch statt. Wenn die Stadt morgens um vier Uhr noch vollkommen im Dunkeln liegt, setzt sich beim "Morgestraich" ein vermummter Zug in Bewegung: Vorneweg marschieren Trommler und Piccoloflöten und veranstalten das größte Pfeiferkonzert der Welt.

Die strikte Trennung zwischen Aktiven und Zuschauern, die dort üblich ist, wäre im Rheinland undenkbar. Dort liegen mit Mainz, Düsseldorf und Köln und gleich mehrere "jecke" Hochburgen, wobei die Domstadt wohl den Titel als feierfreudigste Metropole der ganzen Republik verdient.

In der Tat gibt es in ganz Deutschland keine andere Stadt, in der so viele Musiker in der heimischen Mundart singen. Nichtkölner, von den Einheimsichen liebevoll als "Immis" (Immigranten) tituliert, sind schnell integriert im kölschen Karneval: Selbst wenn sie kaum Deutsch sprechen, können sie doch spätestens nach ein paar Tagen die Refrains kölscher Lieder mitsingen und der Stadt Colonia gemeinsam mit der populären Band Bläck Fööss eine musikalische Liebeserklärung darbringen: "Du bess die Stadt, op die mer all he stonn"; auf Hochdeutsch klingt das nur halb so schön: "Du bist die Stadt, die wir alle lieben."

Export nach Windhoek

Kölner Jecken vor dem Dom Foto: Oliver Berg dpa/lnw
Kölsche Jecken sind beim Singen textsicherBild: picture-alliance/dpa

Die Kölner haben ihren Karneval vor über 50 Jahren sogar nach Afrika exportiert. Damals wanderte ein Sohn der Stadt nach Namibia aus, und noch heute stehen beim Karnevalszug in Windhoek regelmäßig Musiker vom Rhein mit auf den Wagen. Doch so unterschiedlich die Narren rund um den Globus auch feiern: Am Aschermittwoch ist alles vorbei, wie es schon in dem gleichnamigen Karnevalslied heißt. Zumindest bis zum nächsten Jahr.

Suzanne Cords Weltenbummlerin mit einem Herz für die Kultur