Kasensero: Ursprungsort der Aids-Epidemie
Als die erste Aids-Epidemie weltweit 1982 im Fischerdorf Kasensero in Uganda ausbrach, glaubten alle an Hexerei. Ärzte entdeckten den Virus. Auch heute noch sind in Kasensero 33 Prozent der Einwohner HIV-positiv.
Aids-Ausbruch in den 1980er Jahren
Kasensero ist ein kleines, ärmliches Dorf am Ufer des Victoria-Sees im Bezirk Rakai in Westuganda, direkt an der Grenze zu Tansania. 1982 wurde das Dorf weltweit berühmt. In kürzester Zeit starben hunderte Menschen an einer unbekannten Krankheit. Damals war der HI-Virus in einzelnen Fällen in den USA, Tansania und dem Kongo bekannt geworden. Doch eine solche Epidemie hatte es noch nie gegeben.
Hunderte Menschen sterben
Thomas Migeero war 1982 das erste Opfer. Erst verlor er den Appetit, dann die Haare. Er magerte bis auf die Knochen ab, erinnert sich sein Bruder Eddy: "Etwas zehrte ihn von innen auf." Migeeros Vater weigerte sich bei der Beerdigung an den Sarg zu treten. Alle glaubten an einen Fluch. Eddy Migeero ist heute Chef des Aids-Informations-Netzwerks in Rakai und weiß: Der Bruder starb an Aids.
Kasensero - die Geisterstadt
Als die Seuche begann, sich auszubreiten, und in wenigen Wochen hunderte Menschen starben, packten die Einwohner ihre Habseligkeiten. Alle Familien, die es sich irgendwie leisten konnten, zogen fort und ließen Maisfelder, Rinder und Ziegen zurück. Bis heute wirkt Kasensero wie ein verlassenes, totes Dorf. Nur die ärmsten sind geblieben.
Wie das Virus nach Kasensero kam
Vermutlich ist das Virus über den East-African-Highway nach Kasensero gelangt. Lastwagenfahrer bleiben über Nacht am Grenzposten Kasensero, trinken und nehmen sich eine Prostituierte wie die Frau mit dem pinken Kleid, die ihren Namen nicht nennen will: Die Männer zahlen ohne Kondom viermal so viel, berichtet sie. Die 30-Jährige kümmert dies nicht. Auch sie ist HIV-positiv.
Aids als Normalzustand
Joshua Katumba ist HIV-positiv. Der 23-jährige Fischer riskiert jeden Tag sein Leben, um ein paar Schillinge zu verdienen. Viel geht von dem Geld in Alkohol. Katumba hat nie eine Schule besucht, er kann nicht lesen, nicht schreiben. Er hat keine Aussicht auf eine bessere Zukunft - wie so viele in Kasensero. Ein Drittel der Einwohner ist HIV-positiv - eine der höchsten HIV-Raten weltweit.
Medikamente sind kostenlos
Präsident Yoweri Museveni war nach seiner Machtergreifung 1986 der erste Präsident Afrikas, der Aids als Krankheit anerkannte. Seitdem gilt Uganda als das Musterland der Aids-Bekämpfung. Forscher kamen nach Rakai: Hilfsgelder wurden verteilt. Im Bezirkskrankenhaus stehen die HIV-Patienten Schlange, um ihre Medikamente abzuholen: Sie sind kostenlos.
Fast ein normales Leben
Judith Nakato ist seit fünf Jahren HIV-positiv. Vermutlich hat sich die 21-Jährige bei einer Vergewaltigung infiziert, bei welcher sie schwanger wurde. Kurz vor der Geburt stellten die Ärzte ihren Status fest - zum Glück. So konnte die Übertragung bei der Geburt auf ihr Kind verhindert werden. Sie nimmt jeden Tag ihre Medikamente.
Korruption zehrt an Hilfsgeldern
Früher war Judith Nakato oft schwach, konnte kaum aufstehen. Seit sie Medikamente nimmt, kann sie wieder arbeiten. Die antiretroviralen Tabletten (ARVs) verhindern, dass Aids tatsächlich ausbricht - sie werden aus dem Globalen Aids-Fond bezahlt. Doch wegen eines Korruptionsskandals 2007 sind die Hilfsgelder und ARVs knapp. Nakato muss über hundert Kilometer fahren, um die Medikamente zu erhalten.
Musterland der Aids-Bekämpfung?
Uganda wurde zum Musterland der Aids-Bekämpfung: Milliarden wurden für den Kampf gegen Aids gespendet. Anfangs mit Erfolg: Die Häufigkeit von HIV-Infektionen ging seit den 90-Jahren um 70 Prozent zurück. 2005 lag sie landesweit bei 6,4 Prozent, doch seit knapp zehn Jahren steigen die Infektionen wieder: 2013 waren es 7,3 Prozent.
Labor für internationale Studien
Über die Jahre ist Kasensero zur Pilgerstätte internationaler Virologen geworden. An Einwohnern wurden Langzeitstudien unternommen. Erste Therapie-Versuche fanden 1996 statt. Es ist das Versuchslabor der weltweiten Aids-Forschung. Das Ergebnis einer jüngsten Studie: Die Ansteckungsrate ist bei beschnittenen Männern um 70 Prozent geringer. Jetzt setzt Uganda auf Massenbeschneidung zur Vorbeugung.
Patienten liegen im Sterben
Olive Hasal ist bis auf die Knochen abgemagert. Die 50-jährige atmet schwer, ihre müden Augen haben dunkle Schatten. Aus einem Stofftuch kramt sie eine Tablette hervor. "Das ist die letzte", sagt sie. Hasal hat Ehemann und zwei Kinder an Aids sterben sehen. Sie weiß: Wenn ihr niemand eine neue Packung aus der 140 Kilometer entfernten Kreisstadt besorgt, wird sie auch sie der Krankheit erliegen.