Neue Kinderstudie
1. September 2009Hinge das Glück der Kinder allein vom Geld ab, müsste man sich um den Nachwuchs in Deutschland keine Sorgen machen. Bis zu 20 Prozent gibt die Bundesrepublik mehr für Kinder aus als die meisten anderen Industriestaaten. Rund 40 Prozent der Mittel sind Leistungen wie Kindergeld, die unmittelbar an die Eltern ausgezahlt werden. Doch viele Länder schneiden beim Thema Bildungschancen und Armutsbekämpfung besser ab.
Das liegt vor allem daran, dass andere staatliche Angebote, allen voran Kinderkrippen und Ganztagsschulen, in vielen Ländern wesentlich besser sind. Deshalb fordert die Leiterin der ersten OECD-Kinderstudie, Monika Queisser, mehr Investitionen in diesem Bereich. Wobei sie einräumt, dass die Situation in Deutschland vielleicht schon besser geworden sein könnte, weil die Bundesregierung in den vergangenen Jahren durch Maßnahmen wie das Elterngeld und den Ausbau von Krippenplätzen neue Akzente gesetzt habe. Die der Studie zugrund liegenden Zahlen indes sind bereits vier Jahre alt.
Queisser verweist zudem auf die aus deutscher Sicht guten Ergebnisse, wenn es etwa um die materielle Ausstattung von Schülern und um ihre Gesundheit geht. "Sie haben Schreibtische, Schulbücher, Computer, Taschenrechner und Wörterbücher zum Beispiel - mehr als in anderen Ländern." Deutsche Babys werden laut Studie mehr gestillt, die Impfraten gegen Keuchhusten und Masern sind sehr hoch. Teenager-Schwangerschaften sind vergleichsweise seltener.
Unterschiedlich fällt das Ergebnis beim Alkohol- und Tabakkonsum aus. "Deutsche Jugendliche trinken weniger als im OECD-Durchschnitt. Dafür rauchen sie mehr, insbesondere Mädchen", berichtet Queisser.
Risikogruppe Alleinerziehende
Wenn es um gleichwertige Lebensverhältnisse und Chancengleichheit geht, schneidet Deutschland besonders schlecht ab. Das ist ein seit Jahren in zahlreichen OECD-Studien anzutreffender Befund. Das Armutsrisiko in Deutschland ist immer noch sehr hoch, insbesondere in alleinerziehenden Haushalten. "Für diese Gruppe müsste mehr getan werden", fordert die Studienleiterin. Jedes sechste Kind in Deutschland lebt in einem Haushalt, dem weniger als die Hälfte des nationalen Durchschnittseinkommens zur Verfügung steht. Im OECD-Mittel ist es jedes achte Kind. Am besten geht es nach dieser Definition den Kindern in Dänemark, wo nur jedes 37. Kind als arm gilt.
Methodische Schwächen
Allgemein ist sich Queisser der methodischen Schwäche des Kinderberichts bewusst, der wie zahlreiche Bildungsstudien der OECD ganz überwiegend auf statistischem Material basiert. Deshalb habe man ansatzweise auch auf subjektive Indikatoren, wie Umfragen, gesetzt. Das soll zukünftig stärker genutzt werden, man dürfe nicht nur Zahlen zu Rate ziehen. Auch müssten die Kinder müssten selber befragt werden: Wie gerne gehen sie in die Schule? Haben sie das Gefühl, gemobbt zu werden. Sind sie im wahrsten Sinne des Wortes glücklich?
Vorbild Frankreich
Auffällig an den Ergebnissen der Kinderstudie ist, dass wie schon in den Bildungsstudien "Pisa" und "Iglu" Länder mit vergleichsweise wenigen Einwohnern die vorderen Plätze belegen. Bevölkerungsreiche Länder wie Deutschland und die USA finden sich meistens im Mittelfeld oder im letzten Drittel. Einen Zusammenhang zwischen der Größe eines Landes und gesellschaftspolitischen Erfolgen kann Studienleiterin Queisser dennoch nicht erkennen. Sie verweist auf Frankreich. "Dort gibt es mehr Kinderbetreuungs-Möglichkeiten, die Erwerbsquote der Frauen ist höher, die Frauen kriegen auch mehr Kinder als in Deutschland." Daran könne man sehen, dass auch ein großes Land es schaffen kann, mehr für seine Kinder zu tun.
Ein ideales Kinderland gibt es allerdings nirgends auf der Welt. Jedes der untersuchten Länder habe Stärken und Schwächen, lautet das Fazit der OECD-Kinderstudie.
Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz