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Krichbaum: "Putin muss die Show-Veranstaltung stoppen"

Klaus Jansen8. Mai 2014

Entgegen der Aufforderung Putins wollen die prorussischen Separatisten in der Ostukraine ein Referendum abhalten. Gunther Krichbaum vom Europaausschuss des Bundestags sagt: Das Referendum wird keinen Wert haben.

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Gunther Krichbaum (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Prorussische Separatisten in der Ostukraine wollen das angekündigte Referendum am Sonntag (11.05.2014) nicht verschieben. Alle sind gegen das Referendum, sogar Russlands Präsident Putin hatte sich zumindest für eine Verschiebung ausgesprochen. Warum wollen die Separatisten das Referendum trotzdem durchziehen?

Gunther Krichbaum: Wladimir Putin wird die Geister nicht mehr los, die er selbst gerufen hat. Es liegt aber nach wie vor in den Händen Moskaus, dem Treiben Einhalt zu gebieten. Moskau hat auch nach wie vor die Möglichkeit, den Konflikt so schnell wie möglich zu beenden. Denn immer noch läuft die russische Propagandamaschine weiter. Putin hätte alle Möglichkeiten, diese zu stoppen. Vielleicht ist genau diese Ankündigung, das Referendum nicht unterstützen zu wollen, ein Teil dieser Propaganda.

Das heißt, die Aussage Putins, das Referendum zu verschieben, sehen Sie als Teil eines größeren Plans, der auf ganz andere Dinge abzielt?

Ich glaube jedenfalls, dass dies Herrn Putin nicht ganz ungelegen kommt. Man wird das Ganze an den Ergebnissen messen lassen müssen. Dann könnte Herr Putin ja jetzt vorbehaltlos einer Fortsetzung des Genfer Dialogs zustimmen. Hier hat Wladimir Putin Vorbedingungen gestellt, nämlich dass die Separatisten auch am Verhandlungstisch Platz nehmen müssen. Aber es gibt in der Ostukraine keine selbsternannte Republik, auch keinen selbsternannten Bürgermeister. Es sind Freischärler, es sind Separatisten, es sind Milizenführer, und die taugen nicht als lautere Verhandlungspartner.

Welche Möglichkeiten haben die Separatisten denn dann überhaupt, ein Referendum abzuhalten?

Sie haben sie nicht. Dem Referendum fehlt von vornherein die demokratische Legitimation. Um überhaupt ein Referendum abhalten zu können, braucht es eine Entscheidung des Souveräns. Das können nur diejenigen bestimmen, die in freien Wahlen in diese Verantwortung gekommen sind. Hier haben aber andere die Macht an sich gerissen. Und schon rein logistisch fehlt es an den Voraussetzungen. Wahlen und Abstimmungen müssen demokratischen Standards entsprechen. Dazu müssen Wählerverzeichnisse geführt werden, es darf keine Einflüsse auf die Entscheidung geben, all das ist hier nicht gewährleistet. Letztlich gilt auch hier die ukrainische Verfassung. Referenden können nur dann abgehalten werden, wenn sie auf gesamtstaatlicher Ebene stattfinden.

Das Referendum auf der Krim hat aber stattgefunden und hat auch deutliche Konsequenzen nach sich gezogen. Glauben Sie denn, dass das Referendum am Sonntag stattfinden wird?

Es wird eine Show-Veranstaltung sein. Russland muss das als das entlarven, was es ist, nämlich ein versuchter Putsch. Das ist nicht akzeptabel, von keinem Völkerrechts-Subjekt sollte das gutgeheißen werden, auch nicht von Russland.

Das Referendum könnte auch das Ergebnis haben, dass die Menschen nicht Richtung Russland tendieren, sondern Richtung Westen. Das ist denkbar, weil die Mehrheitsverhältnisse in der Ostukraine nicht so klar sind wie auf der Krim. Könnte das Referendum auch dazu führen, dass sich die Lage vor Ort entspannt?

Das würde nur dann gelten, wenn tatsächlich ein wirksames Referendum stattfinden würde, das auch richtiggehend organisiert werden müsste. Daran fehlt es hier hinten und vorne. Sehr richtig ist aber die Anmerkung, dass die Mehrheit der Menschen auch in der Ostukraine anders denkt. Wir selbst als Europaausschuss des Deutschen Bundestages haben noch vor zwei Wochen Kiew und Donezk besucht. Wir haben uns ein eigenes Bild in der Ostukraine verschafft und haben dort auch Kontakt zu einem seriös arbeitenden Meinungsforschungsinstitut gehabt. Der Löwenanteil der Menschen möchte die Einheit der Ukraine gewahrt wissen. Aber solche Abstimmungen wie jetzt am Sonntag sind nicht frei von Druck und Einflussnahme. Deswegen fehlt es diesem Referendum an der demokratischen Legitimation.

Gunther Krichbaum (CDU) ist der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag.

Das Interview führte Klaus Jansen.